Mit Entsetzen reagieren auch die Organisator:innen der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) “Bienen und Bauern retten” auf die Ankündigung des Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, auf dem Parteitag der EVP einen Beschluss anzustreben, der inmitten der laufenden Gesetzesverhandlungen, die Rücknahme des EU-Naturschutzpakets fordert.
Martin Dermine, Mit-Initiator von “Bienen und Bauern retten” und Direktor von PAN Europe kommentiert: “Mit der grundsätzlichen Ablehnung von zentralen Gesetzesvorhaben des Europäischen Green Deals würde die Europäische Volkspartei gegen drei Grundprinzipien einer verantwortungsvollen Europapolitik verstoßen. Sie würde die Umsetzung von EU-Recht torpedieren, einem breiten wissenschaftlichen Konsens widersprechen und die Zukunft unserer Lebensgrundlagen gefährden.”
Die Organisator:innen der EBI “Bienen und Bauern retten” appellieren im Namen der 1,1 Millionen Unterstützer:innen an jeden einzelnen Abgeordneten: Besinnen Sie sich auf Ihre Verantwortung für eine zukunftsfähige Lebensproduktion und erteilen Sie dieser fundamental-destruktiven Politik heute eine klare Absage!
Implementierung von EU-Recht
Der Vorschlag für eine Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (Sustainable Use Regulation – SUR) ist die Antwort der EU-Kommission auf mehr als ein Jahrzehnt der Nichteinhaltung der in der Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (Sustainable Use Directive – SUD) eingegangene Verpflichtung, den Einsatz und das Risiko von Pestiziden zu reduzieren sowie sensible Gebiete und die menschliche Gesundheit zu schützen.
Die EVP hat die gesetzlichen Vorgaben der SUD mitverhandelt und unterstützt. Dass sich die EVP nun grundlegend gegen die Bemühungen der Kommission wendet, die bestehende Rechtslage EU-weit durchzusetzen, ist demokratiepolitisch bedenklich.
Handeln gegen breiten wissenschaftlichen Konsens
Der wissenschaftliche Konsens über die Notwendigkeit, unser derzeitiges Ernährungssystem umzugestalten, um die landwirtschaftliche Produktionskapazität – und damit die Ernährungssicherheit – langfristig zu sichern, ist breit und eindeutig (IPBES 2019, FAO 2019). Mit der grundsätzlichen Ablehnung zweier legislativer Vorzeigeprojekte im Rahmen des Green Deals verlässt die EVP den gemeinsamen Boden einer wissenschaftsbasierten Politik.
Gefährdung der Zukunft unserer Landwirtschaft
Die Europäische Volkspartei wird ihrem Anspruch, die Interessen der europäischen Bäuer:innen zu vertreten und Maßnahmen zur Unterstützung von Jungbäuer:innen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, nicht gerecht. Sie verteidigt eine chemie-intensive Landwirtschaft, die die Landwirt:innen unnötigen Gesundheitsrisiken aussetzt. Gleichzeitig torpediert sie jene Maßnahmen, die unabdingbar sind, um die Abhängigkeit der Bäuer:innen von multinationalen Chemiekonzernen zu beenden.
“Die Europäer:innen wollen eine verantwortungsvolle Politik, die den Weg für eine Landwirtschaft ebnet, die natürlichen Ressourcen bewahrt, ein Voranschreiten der Biodiversitäts- und Klimakrise stoppt und die Produktionsfähigkeit der Landwirtschaft für nachfolgende Generationen sichert. Das beweisen der Erfolg der EBI ‘Bienen und Bauern retten’, sowie zahlreiche Eurobarometer-Umfragen und die Ergebnisse der Konferenz über die Zukunft Europas”, betont Helmut Burtscher-Schaden, GLOBAL 2000-Umweltchemiker und Mit-Initiator der EBI die Dringlichkeit einer verantwortungsvollen Umsetzung des Green Deal.
Sarah Wiener kritisiert die Europäische Volkspartei scharf
Sarah Wiener, Grüne Abgeordnete und Berichterstatterin der neuen Pestizidverordnung, kommentiert: „Die Europäische Volkspartei blockiert dringend notwendige Gesetzesinitiativen, um unser Ernährungssystem nachhaltiger zu gestalten. Ein Aus der EU-Pestizidverordnung zu fordern, ist verantwortungslos gegenüber den Bäuerinnen und Bauern, die sich vom teuren Input der Agrarindustrie unabhängig machen wollen und Planungssicherheit brauchen. Aber genauso gegenüber der Landwirtschaft als Ganzes, die nur mit fruchtbaren, pestizidfreien Ackerböden und Bestäubern zukunftsfähig ist. Und gegenüber den EU-Bürgern und Bürgerinnen, die Pestizide nicht mehr länger auf ihren Tellern und in ihren Körpern wollen.
Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass sich unser Ernährungssystem verändern muss. Die chemie-intensive, agrarindustrielle Landwirtschaft hat schädliche Folgen für die Umwelt und bedroht langfristig die Versorgungssicherheit. Mehr als 700 Forschende haben deshalb schon vergangenes Jahr in einem Brief eine ambitionierte Pestizidverordnung gefordert. Wir müssen jetzt Biodiversität und Artenvielfalt schützen, um unsere Landwirtschaft krisenfest zu machen. Das sind wir den nächsten Generationen schuldig.
Der Brief der 700 Wissenschaftler:innen.