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Proteinqualität im Fokus: Fleisch und Milchprodukte mit überraschend niedriger Umweltwirkung

Neue Forschungen zeigen, dass Fleisch- und Milchprodukte durch ihre hohe Proteinqualität eine geringere Umweltbelastung aufweisen als bisher angenommen. Innovative Ansätze wie die Nutritional Life Cycle Assessment (nLCA) liefern überraschende Ergebnisse und fordern einen Paradigmenwechsel.

Die Diskussion über die Umweltwirkung von Fleisch- und Milchprodukten wird oft von vereinfachten Ansätzen bestimmt. Konventionelle Lebenszyklusanalysen (LCA) bewerten den ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln anhand ihrer Masse, Kalorien oder eines einzelnen Nährstoffs. Diese Betrachtung vernachlässigt jedoch entscheidende Aspekte, wie den Nährwert und die Proteinqualität.Die neue Methode der Nutritional Life Cycle Assessment (nLCA) bietet hier einen differenzierten Ansatz. Sie verbindet Umweltparameter mit ernährungsphysiologischen Faktoren und berücksichtigt die gesamte Nährstoffdichte eines Lebensmittels. Dies führt zu überraschenden Erkenntnissen: Der Umwelteinfluss von Fleisch und Milchprodukten, insbesondere von hochwertigen tierischen Proteinen, ist nur halb so hoch wie bisher angenommen.

Proteinqualität: Der Schlüssel zur neuen Bewertung

Ein wesentlicher Fortschritt der nLCA ist die Einbeziehung der Proteinqualität. Tierische Lebensmittel wie Fleisch und Milch enthalten alle essentiellen Aminosäuren (EAAs) in optimaler Menge und Verfügbarkeit, wodurch weniger Nahrung benötigt wird, um den menschlichen Nährstoffbedarf zu decken.

Eine Studie von McAuliffe et al. (2022) zeigt, dass die Umweltbelastung von tierischen Lebensmitteln durch ihre Proteinqualität deutlich unterschätzt wurde. Zum Beispiel reduziert sich die CO₂-Bilanz von Rindfleisch um 30 %, wenn man die Aminosäurenverfügbarkeit einbezieht. Pflanzliche Alternativen, wie Bohnen oder Weizen, weisen dagegen oft einen höheren Ressourcenverbrauch auf, da größere Mengen notwendig sind, um den gleichen Nährstoffbedarf zu decken.

Milchprodukte: Umweltwirkung im neuen Licht

Auch Milchprodukte schneiden bei der nLCA besser ab als erwartet. Laut Tessari et al. (2016) benötigen Milchprodukte wie Kuhmilch weniger Landfläche und verursachen geringere Treibhausgasemissionen, wenn man die enthaltenen essentiellen Aminosäuren berücksichtigt. Diese Ergebnisse relativieren frühere Annahmen, dass pflanzliche Alternativen wie Sojamilch automatisch nachhaltiger seien.

Die neuen Erkenntnisse: Differenzierte Bewertung statt pauschaler Kritik

Die Ergebnisse zeigen, dass die Umweltbilanz von Lebensmitteln nicht ausschließlich auf Masse oder Kalorien basieren darf. Stattdessen sollten Faktoren wie Bioverfügbarkeit, Aminosäurenprofil und gesundheitliche Auswirkungen berücksichtigt werden.

Dies wird besonders deutlich in einer Studie, die verschiedene Lebensmittel wie Fleisch, Milch, Bohnen und Quinoa anhand ihrer Aminosäuren bewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass tierische Produkte oft effizienter sind, da sie mehr Nährstoffe bei geringerem Ressourcenverbrauch liefern. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass Mischkost – also die Kombination von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln – ein Schlüssel zu nachhaltiger Ernährung sein könnte.

Herausforderungen und Chancen für die Fleisch- und Milchbranche

Die neuen Erkenntnisse bieten der Fleisch- und Milchbranche eine Chance, sich in der Nachhaltigkeitsdiskussion neu zu positionieren. Sie verdeutlichen, dass hochwertige tierische Proteine einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Ernährung leisten können.

Für die Branche bedeutet dies, aktiv in den Dialog zu treten, Missverständnisse aufzuklären und den Fokus auf fundierte Daten zu legen. Verbraucher und politische Entscheidungsträger sollten auf die Komplexität der Umweltbewertung hingewiesen werden, um ausgewogene und nachhaltige Entscheidungen zu fördern.

Vertiefende Studien zur nLCA

Die Studien liefern neue Erkenntnisse über die Umweltwirkung von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln und zeigen, wie die Proteinqualität in die Bewertung integriert werden kann.

Die neuen Ansätze der nLCA zeigen, dass Fleisch- und Milchprodukte durch ihre hohe Proteinqualität eine unerwartet gute Umweltbilanz aufweisen können. Für die Fleisch- und Milchbranche eröffnet dies die Möglichkeit, sich als nachhaltiger Partner in der Ernährung zu positionieren und zur Aufklärung der Verbraucher beizutragen. Nachhaltigkeit und tierische Produkte stehen nicht im Widerspruch – eine Botschaft, die nun stärker in den Fokus rücken sollte.

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