Fleischermeister Christian Derntl bringt die Personalsituation der heimischen Fleischerbranche auf den Punkt: Die Suche erweist sich als Mammutaufgabe. Österreichweit sperren Betriebe zu, die seit Generationen geführt werden. Nicht, weil es zu wenige Kunden gibt, sondern oftmals auch, weil niemand bei ihnen arbeiten möchte. Fleischhauer als Mangelberuf hat schon länger Tradition. Und auch die Zahl der Lehrlinge geht zurück …
Arbeitskräfte aus dem Ausland
Auch Bundesinnungsmeister Raimund Plautz weiß, dass es schon seit langer Zeit zu wenige Fachkräfte gibt: „Ausgeglichen wird derzeit mit Personal aus dem EU-Ausland und da spreche ich nicht nur von den direkten Nachbarländern. Wenn das aber einmal nicht mehr geht, dann haben wir ein großes Problem.“ Arbeitskräfte aus aller Welt, aber hauptsächlich aus Ungarn, überlässt die Firma Meat Work GmbH mit Sitz in der Steier- mark an mehrere namhafte Fleischbetriebe. Auch hier wird bestätigt, dass der Fachkräftemangel in der Fleischindustrie in ganz Österreich spürbar ist. „Auf alle Fälle sollte man herausfinden, wie man den Beruf etwas schmackhafter machen könnte. Selbstverständlich ist die Arbeit teilweise sehr schwer, da sind vielleicht nicht alle in der Lage, diese auszuüben. Aber jeder Arbeitswillige kann einen speziellen Bereich finden, in der Fleischproduktion beispielsweise, wo man gut einzusetzen ist und sich wohlfühlt“, zeigt sich Geschäftsführer und Fleischer Alex Vranics sehr lösungsorientiert.
Junge Menschen anzusprechen ist deshalb so wichtig, da die alte Generation von Mitarbeitern aus Ungarn zwar über Kenntnisse und gute Qualifikationen verfügen – aber: Viele von ihnen erreichen bald das Pen-sionsalter oder haben nicht mehr die notwendige körperliche Kondition. „Positiv aufgefallen ist, dass viele junge Menschen aus Ungarn sehr arbeitswillig sind und trotz sprachlicher Barriere die täglichen Aufgaben in den Betrieben schnell erlernen“, zeigen die Erfahrungen von Vranics.
Neugier für den Beruf wecken
Neugier, Leidenschaft und die Liebe zum Beruf sind wichtige Merkmale, die ein junger Mensch mitbringen sollte. Darin sind sich wahrscheinlich alle Arbeitgeber einig. Doris Steiner aus Sollenau setzt da schon bei den ganz Kleinen an, in dem sie ihnen beim Einkauf ein Rad’l Wurst schenkt. Ganze Schulklassen dürfen einen Blick in die Verarbeitung der preisgekrönten Fleischerei werfen, ebenso werden Burschen und Mädels im Rahmen des Ferienspiels zum gemeinsamen Grillen mit Sohn Martin Steiner eingeladen. Die Freude am Beruf ist dabei bei allen Familienmitgliedern des niederösterreichischen Betriebes spürbar – und hat schon einiges Interesse an einer Lehre bei den Steiners geweckt. „Bei uns darf man schon auch eine Hetz beim Arbeiten haben. Als Lehrling habe ich gerne einen Spitzbuben, der neugierig ist“, verrät Doris Steiner. Optimal ist es natürlich, wenn die Mitarbeiter aus dem Ort oder der Region kommen. Über Gespräche mit Kunden ergibt sich oft etwas und ein neuer Lehrling wird gefunden: „Im ersten Lehrjahr wird von uns investiert, bereits im zweiten Jahr wird geerntet und oft bleiben sie auch nach der Lehre bei uns“, so Steiner.
Aus der Region sind auch die 60 Mitarbeiter:innen von Robert Buchberger aus dem steirischen Pöllau, der den elterlichen Betrieb heute mit acht Filialen sehr erfolgreich führt. Vor allem die Frauen im Verkauf arbeiten zumeist Teilzeit. Wünschen würde sich Buchberger hier eine gesamtheitliche Lösung in puncto Entlohnung, denn der Teilzeit-Netto-Verdienst entspricht zumeist nahezu dem AMS-Geld.
Gute Ideen, aber keine Hilfe
Wenn Christian Derntl, Fleischermeister und Fleischsommelier aus Leonding, Mitarbeiter sucht, dann geht er schon lange nicht mehr den klassischen Weg übers AMS, denn hier jemanden zu finden, sei „ein Glückstref- fer“. Heute sucht er über Onlineplattformen oder Social Media. Da ist er zwar immer wieder erfolgreich –, dennoch muss er derzeit auf die Umsetzung eines neuen Projektes verzichten, da sich dafür keine Arbeitskräfte finden lassen. Gerne würde Christian einen regionalen Lieferdienst zusätzlich mit Waren der regionalen Bauern umsetzen. Dafür bedarf es aber mindestens zweier weiterer Mitarbeiter. „Die Suche gestaltet sich aber derzeit als Mammutaufgabe. Laut Auskunft des Arbeitsmarktservice ist kaum noch passendes Personal auf dem freien Markt. Abwerben ist für mich keine Option. Ich will mich ja selbst nicht auf Kosten anderer besser stellen“, erklärt Derntl.
Vielfalt beim Schnuppern zeigen
Dabei liegt es dem Oberösterreicher wirklich, seine Begeisterung für den Beruf zu vermitteln. Als Trainer und Mitglied der internationalen Jury ist er Euroskills-Experte. Er unterstützte den 18-jährigen Clemens Baischer drei Monate lang beim Training neben seinem Fulltime-Job. Das lohnte sich: Baischer wurde Ende September als Jüngster drittbester Fleischer Europas (Fleisch & Co hat berichtet!). Einen Einblick in die Vielfalt des Berufs bekommen junge Interessenten bei Derntl bereits beim Schnuppern. Die Probetage werden abwechslungsreich, aber auch fordernd gestaltet. „Das hat den jungen Menschen sehr imponiert. Die Rückmeldung war oft, dass sie in anderen Betrieben nur wenige Aufgaben bekommen haben und dann nur uninteressante. Hier können wir Fleischer also vor allem durch abwechslungsreiche Aufgaben und Geduld punkten“, so Derntl. So wie in Niederösterreich sind es auch in Oberösterreich die begeisterten Kunden oder die eigenen Mitarbeiter, die Werbung für die Fleischhauerei machen. Und dann kann es schon passieren, dass Lehrlinge von selbst auf den Chef zukommen, so wie es bei Christian Derntl der Fall war.
Junge auf Social Media ansprechen
Die Lehrlingsausbildung scheint auch in der Steiermark bei Robert Buchberger gesichert – drei lernen gerade, darunter auch ein Mädchen, und für die kommenden Jahre gibt es Interessenten. Ein Plus sei die nahe Land- wirtschaftsschule, nach der viele bei Buchberger anfragen, um eine Lehre zu machen. So etwa auch die 20-jährige Sabrina, die nach dem Schulabschluss und über die Jagd zum Fleischer-Beruf kam. Doch wie die jungen Menschen ansprechen, wenn es nicht über das obligate Radl Wurst ist, von dem Doris Steiner erzählt? Über Social Media „mit einem coolen modernen Auftritt“, sagt Robert Buchberger. So bespielt er die verschiedensten Kanäle wie Facebook, Instagram und sogar YouTube oder TikTok – und ist hier nicht nur zum hippen Fleisch-Influencer geworden, sondern präsentiert auch die Branche und den Fleischerberuf.
Attraktivität erhöhen
Das Ausweichen auf virtuelle Kanäle wurde auch durch Corona verstärkt. „Die Pandemie verhindert bei der Akquise, dass wir unsere Werke präsentieren und Vorträge in Schulen oder an Universitäten halten können, um so junge Menschen für unsere Arbeit zu begeistern. Auch die Teilnahme an Berufsmessen wie zum Beispiel Lehrlingsmessen ist nicht möglich – online kann man diese Formate nicht 1:1 umsetzen“, weiß Geschäftsführer Norbert Marcher vom gleichnamigen Unternehmen. So wurde es in den vergangenen zwei Jahren auch für das Unternehmen mit 1.800 Mitarbeitern zunehmend schwieriger, Facharbeiter zu finden. Durch geburtenschwächere Jahrgänge würde es einfach weniger Arbeitssuchende geben. Stark bemerkbar macht sich der Fachkräftemangel vor allem bei den technischen Berufen: Bei Marcher werden Elektriker, Metalltechniker, Mechatroniker und Schlosser gesucht, um nur ein paar Beispiele zu nennen. „Im Bereich der Fleischerfacharbeiter ist der Beruf schon seit Jahren ein Mangelberuf, dieser Mangel ist nicht neu“, so der Firmenchef. 2022 möchte man sich noch stärker als attraktiver Arbeitgeber vermitteln. Traineeprogramme, die Teilnahme an Managementakademien, eine Lehrlingsoffensive und eine Verstärkung des HR-Managements sprechen dafür. Direkte Beschäftigungsverhältnisse werden in der Schlachtung und Zerlegung gepflegt. Lesen hier auch das große Interview mit Norbert Marcher.
Der Beruf im Wandel der Zeit
Dass es Benefits wie zum Beispiel täglich warmes Essen oder Gutscheine für den Einkauf brauche, glaubt auch Alex Vranics von Meat Work: „Es braucht mehr Ausbildungsmöglichkeiten bei den Betrieben vor Ort.“ In Kärnten gebe es bereits wieder mehr Lehrlinge, freut sich Bundesinnungsmeister Raimund Plautz, aber: „Im Verhältnis zum Personalstand bilden kleine Betriebe mehr Lehrlinge aus.“ Gefragt seien also auch die Großen. „Ich bilde seit 30 Jahren Lehrlinge aus. Der Beruf hat sich gewandelt, das Image hat sich verändert. Heute wird kaum noch geschlachtet, es gibt mehr Ähnlichkeiten zu Köchen und zur Gastronomie – das alles aber mit geregelten Arbeitszeiten und ohne Wochenenddienste“, so Plautz.
Übrigens: 2020 zählte die Branche 315 Lehrlinge, 2012 waren es noch 470. Eine aktuelle Studie der KMU Forschung Austria im Auftrag WKNÖ zeigt, wie prekär der Arbeitskräftemangel ist: Jede zehnte Stelle in Niederösterreich könne nicht besetzt werden. Das zieht sich quer durch alle Branchen. Gründe dafür seien, so die Studienautoren, zu wenige fachliche Bewerber, ein zu geringes Interesse an den in der Industrie angebotenen Berufen und Defizite in der Pflichtschulausbildung. Dem stimmt auch Raimund Plautz zu, oft fehle es am Beherrschen der Grundrechnungsarten sowie beim Lesen und beim Schreiben. Um Fleischhauer zu werden, müsse man halt auch rechnen können.
Autorin: Bettina Kreuter