Eine strikte Begrenzung der Tiertransporte auf acht Stunden verfehlte die Mehrheit in der Abstimmung vom 20. Jänner 2022 im Plenum des Europaparlaments.
Die traurigen Ergebnisse:
- 308 Abgeordnete stimmten für eine generelle Begrenzung auf acht Stunden
- 372 stimmten dagegen
- 14 enthielten sich
Auch der Schutz der Kälber wurde etwas aufgeweicht, zumindest gegenüber dem Vorschlag aus dem Ausschuss des EU-Parlaments für Tiertransporte. Immerhin will das Europaparlament Transporte für nicht abgesetzte Kälber im Alter bis 28 Tage verbieten. Lediglich Landwirte sollen die jungen Kälber noch im Umkreis von 50 km transportieren dürfen. Die Beförderung von hochträchtigen Kühen möchte das Europaparlament auf vier Stunden begrenzen.
Dennoch sind einige Punkte, wie z.B. ein Vier-Stunden-Limit für Kaninchen und Geflügel und die Forderung, den Transport von Fleisch und Tierkörpern anstelle von lebenden Tieren zu bevorzugen, in den endgültigen Empfehlungen enthalten.
1,6 Milliarden lebende Tiere
Die Probleme betreffen eine große Zahl an Tieren. Mehr als 1,6 Milliarden lebende Nutztiere wurden 2019 laut EU-Parlament innerhalb der EU und aus der EU hinaus transportiert. Der Wert des Handels belief sich 2018 laut EU-Parlament auf 8,6 Milliarden Euro. Knapp drei Milliarden Euro brachte der Handel mit lebenden Tieren mit Drittstaaten ein.
Tiertransporte in Europa
Insider berichten, dass die Debatten der EU-Abgeordneten vor der Abstimmung über zeitliche Transportbegrenzungen heftig waren. Einige halten den Transport in gut ausgestatteten Fahrzeugen über längere Entfernungen für tierschutzgerecht. Andere lehnen Langstreckentransporte ab. „Wo Tiertransporte nicht zu vermeiden sind, müssen höchste Tierwohlstandards eingehalten werden“, sagte Simone Schmiedtbauer, Agrarsprecherin und Vertreterin der ÖVP im Sonderausschuss für Tiertransporte im Europaparlament.
„Jede zusätzliche Stunde bedeutet mehr Leid“, betonte Tilly Metz von den Grünen aus Luxemburg, die den Ausschuss für Tiertransporte leitete.
Daniel Buda von den Demokratisch Liberalen aus Rumänien machte auf die Schäden für Landwirte durch Transportverbote aufmerksam. Die Existenz zahlreicher Landwirte hinge davon ab, und die Empfänger bestünden oftmals auf lebende Tiere, erklärte der Berichterstatter zum Tiertransport. So werden etwa aus Rumänien zahlreiche Rinder in die Türkei und in den Libanon geführt.
Alle EU-Abgeordneten waren sich aber einig, dass lokale Schlachthöfe gefördert werden müssen, um Tiertransporte zu vermindern. Die EU-Kommission werde die Empfehlungen des Europaparlaments beachten, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides den EU-Abgeordneten zu.
Schon in diesem Jahr sollen die Kontrollen ausgedehnt, Verstöße gegen die EU-Tiertransportrichtlinie besser erfasst und unter den EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht werden. Für 2023 sagte Kyriakides eine Überarbeitung der EU-Tierschutzgesetzgebung zu.
Hier alle offiziellen Statements von ÖVP, Grüne, SPÖ und FPÖ
Schmiedtbauer: „Weniger Tiertransporte für mehr Tierwohl“
„Wir alle wollen, dass Tiere beim Transport nicht leiden müssen. Für mehr Tierwohl soll es weniger Tiertransporte geben – eine einfache Formel. Das Ziel ist daher, wichtigen Grundsätzen wie Regionalität und Nachhaltigkeit in der Tierhaltung und der Landwirtschaft in ganz Europa umfassend zum Durchbruch zu verhelfen. Wo Tiertransporte nicht zu vermeiden sind, müssen höchste Tierwohlstandards eingehalten werden. Einen Abfertigungs-Basar bei Tiertransporten, einen Unterbietungswettbewerb auf Kosten des Tierwohls, darf es nicht mehr geben“, sagt Simone Schmiedtbauer, Agrarsprecherin und Vertreterin der ÖVP im Sonderausschuss für Tiertransporte im Europaparlament, zur heutigen Plenarabstimmung über die Empfehlungen des Sonderausschusses.
„Unbedingt nötig ist, dass die bestehenden Regelungen in der gesamten EU umgesetzt, engmaschig kontrolliert und Verstöße sanktioniert werden. Anstatt sich auf Transportzeiten zu versteifen, müssen die hohen EU-Tierwohlstandards tatsächlich flächendeckend sichergestellt werden. Das passiert bis dato nicht. Zudem müssen wir uns beim Tierwohl an Vorbildern orientieren, an sogenannten Best Practices. Das beginnt schon bei der Vorbereitung der Transporte und der Nutzung digitaler Lösungen, zum Beispiel zur Sicherstellung geeigneter Temperaturen entlang der Transportroute, oder schlicht die Nutzung von Nippeltränken bei Kälbertransporten. Hier geht Österreich mit gutem Beispiel voran“, sagt Schmiedtbauer. „Mit unseren Empfehlungen legen wir ein starkes Fundament, auf dem die Kommission bei der Überarbeitung der Tiertransporte-Verordnung aufbauen kann.“
„Darüber hinaus müssen wir den Konsumenten die Möglichkeit geben, ihren Beitrag zur Reduzierung der Tiertransporte zu leisten. Dafür brauchen wir eine gründliche und verpflichtende Lebensmittel-Herkunftskennzeichnung – hier warten wir mit Spannung auf den ausständigen Kommissionsvorschlag. Wenn die Tiere möglichst lokal aufgezogen, geschlachtet und konsumiert werden, dann ist das gut für die Tiere und gut für die Konsumenten, die frische und qualitativ hochwertige Lebensmittel erhalten, und es ist gut für uns Landwirte“, sagt Schmiedtbauer. „In einem nächsten Schritt müssen wir dafür sorgen, dass keine Tiere mehr rein zur Schlachtung in Nicht-EU-Staaten transportiert werden – zumal der Transport oft tausende Kilometer weit geht, wie das in der Vergangenheit mehrfach dokumentiert wurde. Dafür habe ich kein Verständnis. Das ist nicht mit meinen Vorstellungen von Tierwohl vereinbar und das darf nicht sein.“
„Wie auch immer neue Vorschriften für Tiertransporte aussehen, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren: Nur, wenn sie in der Praxis machbar sind, können sie auch zum Tierwohl beitragen“, schließt Schmiedtbauer.
Waitz: Verbesserte Tierwohlstandards auf Europas Straßen von konservativer Mehrheit abgelehnt
Am Donnerstag, 20.01.2022 stimmte das Europaparlament über Empfehlungen an die EU-Kommission im Bereich Tiertransporte ab. Unter den derzeit geltenden Regeln dürfen Tiere absurd lange transportiert werden. Rinder zum Beispiel 29 Stunden oder Schweine 24 Stunden, ohne jegliche Pause.
Thomas Waitz, selbst Biobauer, grüner EU-Abgeordneter und Schattenberichterstatter in dieser Sache, kommentiert das Ergebnis: „Nach über einem Jahr vollstem Einsatz im Tiertransport Untersuchungsausschuss war es uns wichtig, einen weiteren Schritt in Richtung Tierwohl auf Europas Straßen zu machen. Im U-Ausschuss und mit der Hilfe der Zivilgesellschaft sowie NGOs haben wir wiederholte und systematische Verstöße gegen geltende Rechtsordnung aufgedeckt. Jede Beförderung von Nutztieren ist mit Stress verbunden und kann sich negativ auf ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen auswirken.“
Durch kurzfristig eingebrachte Abänderungsanträge der konservativen, liberalen und sozialdemokratischen Parteien wurden starke grüne Forderungen verwässert. So sind zum Beispiel keinerlei Empfehlungen für eine generelle maximale Transportdauer oder zur zeitlichen Limitierung von Tiertransporten auf Schiffen im Text zu finden. Darüber hinaus wird es nach den vorliegenden Empfehlungen lediglich zu einem Alterslimit von 4 Wochen und nur bei Kälbern kommen, trotz zahlreicher Einschätzung von Tierärzt*innen und Rechtsexpert*innen, die einen Transport von nicht abgesetzten Tieren für grundsätzlich unrechtmäßig und gesundheitsgefährdend halten.
„Wir haben uns in den Verhandlungen wirklich bemüht, einen Kompromiss mit allen Fraktionen zu finden, der Bericht des U-Ausschuss trägt unsere Handschrift. Dass nun so viele Abgeordnete gegen Tierwohl stimmen und unsere wichtigen Vorstöße torpedieren, schockiert mich.“
„Positiv hervorheben möchte ich das Verbot von Transporten in Drittstaaten, in denen Europäische Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten werden, ein Zeitlimit von max. 4 Stunden für den Transport von sehr alten Tieren sowie Hasen und Geflügel, sowie die verpflichtende Anwesenheit eines*r Veterinärmediziners*in auf Transportschiffen. Deswegen habe ich schlussendlich dem vorliegenden, schwachen Text zugestimmt. Jede Verbesserung im Tierwohl ist es wert, dafür zu kämpfen. Auch wenn das Endergebnis mehr als enttäuschend ist.“ so Waitz abschließend.
Die EU-Kommission wird voraussichtlich 2023 eine neue Tiertransportverordnung vorlegen und die Empfehlungen des Europaparlaments darin einarbeiten.
Sidl: Strengere Maßnahmen gegen Tierleid beim Transport notwendig
Nach dem Abschluss des Untersuchungsausschusses zum Schutz von Tieren beim Transport (ANIT) stimmt das EU-Parlament heute Empfehlungen über die Aktualisierung geltender EU-Vorschriften ab. SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl kommentiert: „Es braucht dringend viel strengere Regelungen, um das Tierwohl bei Lebendtiertransporten besser zu schützen. Unglaubliche 1,4 Milliarden Tiere werden jedes Jahr innerhalb der EU transportiert und in Staaten außerhalb der EU gebracht. Überlange Transporte, qualvoller Stress und eine nicht artgerechte Unterbringung sind leider keine Seltenheit. Es bedarf daher eindeutiger Verbesserungen zum konsequenten Tierschutz.”
Die SPÖ steht hinter den Schlussfolgerungen und den Empfehlungen des Abschlussberichts und unterstützt noch weitergehende Änderungsanträge, erklärt Sidl: „Für alle Lebendtiere sollte eine maximale Transportdauer von acht Stunden gelten. Für Jungtiere, die noch von der Mutter abhängig sind, setzen wir uns für ein generelles Transportverbot ein. Bei einer Überarbeitung der geltenden Verordnung muss aus Sicht der SPÖ besonders auf artgerechte Transportbedingungen, mehr und bessere Kontrollen, die Einhaltung von Fahr- und Ruhezeiten, sowie die konsequente Berücksichtigung des Tierwohls in den EU-Handelsbeziehungen geachtet werden.“
FPÖ – Vilimsky: „Freiheitliche Forderung für weniger Leid bei Tiertransporten teilweise erfüllt!“
Eine „Verbesserung auf halbem Weg zum Idealzustand“ habe der nun verabschiedete Bericht zu Lebendtiertransporten gebracht, erklärte heute Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europaparlament. „Für die FPÖ war es in dieser Legislaturperiode ein großes Anliegen, endlich einen eigenen Sonderausschuss zur Untersuchung von Lebendtiertransporten im Europäischen Parlament einzurichten“, meinte Vilimsky, der selbst Mitglied dieses Ausschusses ist.
Der EU-Abgeordnete der FPÖ brachte unzählige Anträge ein, die größtenteils leider keine Unterstützung fanden. „Wir haben im Interesse des Tierwohls gehandelt und entsprechende Forderungen formuliert, die wir gerne im Bericht gesehen hätten“, sagte Vilimsky. Insbesondere hob er die Limitierung der Transportzeiten auf maximal vier Stunden hervor.
„Zudem ging es uns darum, grausame Formen ritueller Schlachtungen zu verbieten sowie ein allgemeines Verbot von Lebendtiertransporten in Drittstaaten zu erwirken“, so der freiheitliche EU-Abgeordnete. Seiner Ansicht nach seien gerade die Ausfuhren von Lebendtieren in Länder, wie die Türkei oder in arabische Länder besonders grausam und würden jedem europäischen Standard widersprechen. „Es geht auch um eine entsprechende Kontrolle, ob die bestehenden Standards für Tiertransporte auch eingehalten werden – genau daran mangelt es“, kritisierte Vilimsky.
Die freiheitliche Delegation sieht sich in ihrer Arbeit bestätigt, da der Bericht im Großen und Ganzen positiv zu sehen ist und Verbesserungen bei Tiertransporten vorsieht. „Dementsprechend haben wir auch für den Bericht gestimmt“, sagte Vilimsky. Er und die FPÖ wollen sich weiterhin für den Tierschutz sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene einsetzen. „Der Tierschutz ist für uns eine Herzensangelegenheit. Wir wollen alles Erdenkliche tun, um die Standards dabei weiter zu verbessern“, betonte der freiheitliche EU-Abgeordnete.