
Anfang 2024 hat der Verfassungsgerichtshof die für das Verbot von “unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich” in der Schweinhaltung vorgesehene Übergangsfrist bis 2040 als zu lang und als sachlich nicht gerechtfertigt beurteilt. Da die Bestimmung per 1. Juni aufgehoben wurde, haben ÖVP, SPÖ und NEOS eine Novelle zum Tierschutzgesetz vorgelegt, die heute nun auch mehrheitlich – inklusive der Stimmen der Freiheitlichen – den Bundesrat passiert hat.
Wie schon im Nationalrat übten die Grünen heftige Kritik an der Lösung, weil damit der Einsatz von “Vollspaltenböden auf Jahrzehnte hin einzementiert” werde, befürchtete die niederösterreichische Bundesrätin Simone Jagl. Da der zentrale Punkt – nämlich der schrittweise Ausstieg aus der Haltung von Schweinen auf Vollspaltenböden – gekippt worden sei, würde nun jeglicher Druck wegfallen, tierschutzgerechte Mindeststandards festzulegen. Der von ihr in der Sitzung eingebrachte Entschließungsantrag betreffend ein Maßnahmenpaket für eine tiergerechte Schweinehaltung fand keine Mehrheit.
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978. Sitzung des Bundesrates Bundesrat | Aufzeichnung vom 27.05.2025Gute Lösung im Sinne des Tierwohls und der Planungssicherheit
Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig sprach von einer “guten Lösung” für beide Seiten, die auch vor dem Verfassungsgerichtshof halten werde. Einerseits würde damit dem Tierwohl Rechnung getragen und andererseits für Planungssicherheit sowie Wettbewerbsfähigkeit bei den Bäuer:innen gesorgt. Man werde unter anderem dafür sorgen, dass die große Mehrheit der Schweine ab Juni 2034 “auf guten, neuen Böden stehen” werde.
Bereits ab 2029 soll zudem in allen Betrieben organisches Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestellt und die Besatzdichte verringert werden. Im Rahmen des Projekts “IBeST+” soll überdies an der Weiterentwicklung der Mindeststandards gearbeitet werden, betonte Königsberger-Ludwig.
Die Eckpunkte der Novelle zum Tierschutzgesetz
Durch die von ÖVP, SPÖ und NEOS vorgeschlagene Änderung des Tierschutzgesetzes wird die zunächst vorgesehene Übergangsfrist in Bezug auf die Vollspaltenböden in bestehenden Ställen nun um sechs Jahre verkürzt. Ab 1. Juni 2034 ist dann nur mehr die Haltung in sogenannten strukturierten Vollspaltenbuchten erlaubt, die zu einem Drittel aus Liegefläche bestehen müssen.
Für Betriebe, die zwischen Juni 2018 und Dezember 2022 in neue Ställe investiert haben, ist eine individuelle Übergangsfrist von 16 Jahren vorgesehen, und zwar je nach Zeitpunkt der Fertigstellung der baulichen Maßnahmen. Diese Härtefallregelung soll rund 170 Betriebe betreffen.
Bereits ab dem 1. Juni 2029 sollen zudem erste Verbesserungen auch in bestehenden Ställen umgesetzt werden, und zwar in Bezug auf das Platzangebot sowie die Ausstattung mit zusätzlichem organischem Beschäftigungsmaterial (z.B. Stroh). Auf Basis der Ergebnisse des Forschungsprojekts “IBeST+” sollen ferner neue Mindeststandards für die Haltung von Mastschweinen erarbeitet werden.
Grüne vermissen “echte Reparatur” des Gesetzes und fordern verbindliche Regeln für eine würdevolle Nutztierhaltung
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne/N) stellte das Zitat, wonach man den “moralischen Fortschritt einer Nation daran messen könne, wie sie ihre Tiere behandle”, ihrer Rede voraus. Gerade Schweine seien sehr intelligente, soziale und lernfähige Lebewesen, die miteinander kommunizieren könnten. Die nun vorliegende Änderung des Tierschutzgesetzes bringe nun sogar insofern eine Verschlechterung, als die Frist zur Einführung eines Mindeststandards in der Schweinehaltung gestrichen wurde, beklagte Jagl.
Es sei nun einzig und allein gesichert, dass ab 2034 der sogenannte strukturierte Vollspaltenboden, der eigentlich nur als Zwischenschritt angedacht war, zum Einsatz kommen müsse. Dadurch werde aber das Leid der Tiere kaum verringert, da die Liegefläche weiterhin einen Spaltenboden aufweise, gab Jagl zu bedenken, nur die Spaltengröße sei etwas kleiner. Es sei nicht nur im Tierschutzgesetz klar festgelegt, dass Tieren kein Leid zugefügt werden dürfe, auch 90 % der Bevölkerung würden den Einsatz von Vollspaltenböden ablehnen. Ein umfassendes Maßnahmenpaket zur tiergerechten Schweinehaltung, das unter anderem klare Kennzeichnungspflichten, die konsequente Verankerung von Tierwohlkriterien in der öffentlichen Beschaffung, einen zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln sowie eine transparente Information der Konsument:innen umfasst, sei daher dringend notwendig, unterstrich die Bundesrätin.
SPÖ begrüßt Verkürzung der Übergangsfrist von 17 auf 9 Jahre
Der Großteil der Schweine in Österreich werde in Haltungssystemen mit Vollspaltenbuchten gehalten, konstatierte Bundesrat Thomas Schmid (SPÖ/B). Trotz eines Anstiegs in den letzten Jahren würden weiterhin weniger als 10 % des Schweinefleischs in Österreich mit Tierwohl-Siegel oder als Bioprodukt vermarktet. Es sei richtig, dass der Einsatz von Vollspaltenböden mit massiven Gesundheitseinbußen für die Tiere verbunden sei. Aus diesem Grund habe sich das Burgenland, das auch die VfGH-Klage angestrengt habe, für ein baldiges Verbot der Haltung auf Vollspaltenböden sowie für die Bereitstellung von ausreichenden Liegeflächen und mehr Auslauf für die Tiere eingesetzt. Die nun vorliegenden Änderungen stufte Schmid als eine Kompromisslösung ein, die einige Verbesserungen sowie mehr Rechts- und Planungssicherheit für die Landwirt:innen bringe. Es werde damit auch ein klares Zeichen für Tierwohl, für verbindliche Standards und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft gesetzt, schloss sich Gabriele Kolar (SPÖ/St) ihrem Bundesratskollegen an.
ÖVP: Neuregelung schafft Planungssicherheit für die landwirtschaftlichen Betriebe
Auch Bundesrätin Elisabeth Lindner-Wolff (ÖVP/W) sprach von einem tragfähigen Kompromiss, der aufgrund des VfGH-Urteils schnell gefunden werden musste. Die Neuregelung der Übergangsfristen für Vollspaltenböden in der Schweinehaltung trage zu mehr Planungssicherheit bei und gewährleiste einen Fortbestand der heimischen Schweinezuchtbetriebe, zeigte sich Lindner-Wolff überzeugt. Gleichzeitig werde der Faktor Tierwohl gestärkt, da ab Juni 2029 strengere Standards in den Ställen gelten werden. Sie hoffe, dass dies auch von den Konsument:innen entsprechend geschätzt werde. Viktoria Hutter (ÖVP/N) ging noch einmal auf die zentralen Punkte des Gesetzes ein und stellte mit Nachdruck fest, dass sich die Bäuer:innen nicht gegen die Weiterentwicklung von Standards verwehren würden. Es brauche jedoch klare Rahmenbedingungen, die nun erfreulicherweise gerade noch rechtzeitig beschlossen werden, hob auch Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) hervor.
FPÖ fordert Herkunftskennzeichnung sowie Änderungen bei den Lebendtiertransporten, beim Schächten und beim Gebrauchshundesport
Bundesrat Thomas Karacsony (FPÖ/B) zeigte sich verwundert darüber, warum ein so wichtiges Gesetz für die Bäuer:innen im Gesundheitsausschuss behandelt worden ist. Seiner Meinung nach brauche es mehr Unterstützung für die Landwirtschaft und vor allem eine Herkunftskennzeichnung, die ihren Namen auch verdiene. Die Freiheitlichen stehen jedenfalls für einen Tierschutz mit Maß und Ziel, der die Existenz der Landwirt:innen nicht gefährden dürfe, betonte Marlies Steiner-Wieser (FPÖ/S). Da für die Bauern und Bäuerinnen Planungssicherheit wichtig sei, werde ihre Fraktion der Novelle zustimmen. Dennoch gab Steiner-Wieser zu bedenken, dass der Abbau der Vollspaltenböden massive finanzielle Auswirkungen auf die Landwirt:innen haben werde.
Handlungsbedarf gebe es ihrer Ansicht nach auch in anderen Bereichen, wie etwa bei den Lebendtiertransporten oder beim “Schächten”, wo die Regelung “viel zu schwammig” sei. Nach wie vor würde in vielen Fällen den Tieren bei vollem Bewusstsein die Kehle durchgeschnitten, zeigte Steiner-Wieser auf. Unzufrieden zeigte sie sich auch mit den Bestimmungen bezüglich der Gebrauchshundeausbildung, weil damit die Ausübung dieses international angesehenen Sports in Österreich verunmöglicht werde.