Kuttermesser
Genuss & Trends

Pairing­-Tipps von Fleischer und Bäcker: Es muss nicht immer die Wurstsemmel sein!

Mit einem gemeinsamen Geschäft halten Fleischer Thomas Hofmann und die Bäckerei Geier das Genusshandwerk im Weinviertel hoch. Mit Akribie hat man nun ausgetestet, wie unterschiedliches Gebäck den Wurst-­Genuss erhöht. Bei der verblüffenden Verkostung war Fleisch & Co dabei.

Vorweg sei gesagt, dass die Ergebnisse der Verkostung in Markgrafneusiedl äußerst aufschlussreich für alle Fleischer sind. „Wir werden sie in jedem Fall bei Präsentationen und im Catering einsetzen“, zeigte sich auch Thomas Hofmann als einer der Initiatoren begeistert. Und dennoch startet in diesem Fall alles mit einer Bäckerei.

Genauer gesagt der seit 1902 im Weinviertel ansässigen Bäckerei Geier. Erika Geier-Tschernig, die mit ihrem Mann Gerald den Betrieb führt, beschäftigt sich seit Jahren mit der Auswahl des idealen Gebäcks zu anderen Genussmitteln. Wer in letzter Zeit auf Weinverkostungen war, konnte etwa erleben, wie zum Weinviertler Grünen Veltliner je nach Reifegrad unterschiedliches Geier-Brot empfohlen wurde.
Das Projekt war Teil der kürzlich abgeschlossenen Brotsommelier-Ausbildung und wurde von der gebürtigen Steirerin mit fast wissenschaftlichem Ernst angegangen. „Man muss sich mit den einzelnen Komponenten der Brote beschäftigen“, so Geier-Tschernig, die eine eigene Kost-Matrix entwickelt hat, um das ideale „Weißwein-Brot“ zu finden. „Allfällige Röstaromen kommen aus der Brot-Kruste, die Krume wiederum kann Säure ins Spiel bringen.“ Mit Weinexperten wurde dann verkostet, „denn die Kombinationen müssen immer auch in der Praxis funktionieren“, hält die Bäckerin nichts von Aroma-Paarungen am Reißbrett. Dieser Gedanke zog sich dann auch beim neuen Gaumenexperiment durch. Nicht der lokale Paradewein, sondern Weinviertler Wurst-Spezialitäten von Thomas Hofmann standen dabei im Mittelpunkt.

Die Backstube wird zum Kostlabor

Auch die Fleischerei Hofmann, 1891 gegründet, ist im Norden Niederösterreichs das, was man anderswo einen „household name“ nennt. Der eingesessene Betrieb wird seit diesem Juli in fünfter Generation von Thomas Hofmann geleitet. Drei Standorte in Hollabrunn, Korneuburg und Stockerau führen die Spezialitäten, zu denen neben den Käsekrainern und Würsten mit Weinviertler Kürbiskernen auch die Kranzl-Extra gehört. In der Stockerauer Filiale ging man seit 2018 neue Wege, denn diese wird gemeinsam mit der Bäckerei Geier betrieben – Kunden bekommen somit gleich das Brot zur Wurst und umgekehrt. „Nur kassiert wird getrennt“, lacht Thomas Hofmann angesichts dieser vorbildlichen Handwerkskombination zweier Traditionsbetriebe.

Doch welches Brot erhöht eigentlich den Fleischgeschmack? Wo herrscht Harmonie, die keines der beiden Lebensmittel sensorisch untergehen lässt? Und wo verblasst die Mühe des Genusshandwerkers zu einem neutralen Geschmackseindruck?

Diese Frage wollten die beiden regionalen Geschäftspartner genau klären. Einen Vormittag lang nahm man sich in der Backstube Zeit, fünf der beliebtesten Wurstwaren Hofmanns mit Brot und Gebäck zu testen. Als quasi Unparteiischer bei diesem Genuss-Match begab sich Fleisch & Co-Autor Roland Graf ins Geschmackslabor nach Markgrafneusiedl. Gebäck-Klassiker (Handsemmel, Baguette), aber auch Spezialitäten der Geiers, die es in den 33 (!) Standorten in Wien und NÖ gibt, standen bereit. Darunter befanden sich sieben Brote: von der hellen „Dinkelblüte“ bis zur intensiven „Bio Kruste 1902“ mit 36 Stunden Teigruhe.

Diesem Brot brät man eine Extrawurst

Thomas Hofmann wiederum hatte neben den heiß servierten Käsekrainern vier weitere Wurstwaren am Start: Kranzl-Extra, den Schinken in der Haus-Version aus dem Veltliner-Sud, Prosciutto und die Käse-Wurst mit Kürbiskernen. „Ich habe von klein auf immer lieber die Extrawurst auf einem Brot gegessen“, steuert Erika Geier-Tschernig während des Tests eine persönliche Reminiszenz bei.

Offenbar nahm sie damit schon ein Verkostergebnis vorweg. Denn die Semmel „geht eher unter“, formulierte es Thomas Hofmann nach wenigen Bissen von der Kombination mit seinem Paradeprodukt. Damit bestätigt sich einer der „eisernen“ Grundsätze beim Lebensmittelpairing schon einmal nicht: „Ähnliche Texturen ergänzen sich perfekt.“ Denn das Weißgebäck ist geschmacklich zu dezent zu der (ohnehin milden) Würzung der Kranzl-Extra. Hier darf es gerne das „Weinviertler Landbrot“ sein.

Es ist so etwas wie der Allrounder der Bäckerei, wie Erika Geier-Tschernig schon aus ihren „Veltliner-Studien“ wusste. Verblüffend allerdings war von Beginn an, wie unterschiedlich die 50 Kombinationen ausfielen. Die in Österreich so beliebte Semmel liefert der Wurst eine sanfte Unterlage, doch die Intensität des Fleischgeschmacks kann sie nicht steigern. Was vor allem an der Kruste liegt. Wenn zum Weizen-Teig nämlich ein höherer Anteil an Röstaromen kommt, sieht die Welt an der Fleischtheke ganz anders aus. „Das Baguette ist sehr fein zu unserem Prosciutto“, gefällt Thomas Hofmann diese Kombination bestens.

Die Käsekrainer mag’s französisch

Dann folgte die nächste Gaumen-Überraschung: Auch zur Käsekrainer macht die französisch gebackene Variante – 24 Stunden Teigführung – viel knusprige Kruste – eine gute Figur. Das feine Spiel aus Brät und würzigem Emmentaler unterstützt das Baguette nämlich verblüffend gut: Anhaltend und würzig wie guter Schinkenspeck schmeckt das Würstel da plötzlich.

Ähnliche Begeisterung im Kostlabor ruft zur einzigen warm servierten Option dann das Landbrot hervor. Und es bestätigt so seinen Stellenwert als „Allrounder“ aus der Backstube. Dass es ein Brot dieser Machart bei vielen Würstelständen gibt, an denen man Hofmanns Käsekrainer findet, ist also eine goldrichtige Entscheidung!
Zur zweiten intensiven Spezialität, der Käsewurst alias „Winzergold“, hat dunkles Brot ebenfalls die Nase vorn. Unisono wollte man zu der Weinviertler Wurst mit Kürbiskernen und Käse natürlich das Weckerl mit Kürbiskernen und Käsekruste kosten. Doch auch hier ist vermeintlich Gleichartiges nicht die beste Option. Der Natursauerteig des „Murauer Bio Laibs“ hingegen verleiht der Hofmann-Wurst mit dem fast 30%-igen Käseanteil eine gewisse Leichtigkeit. Im Geschmack wird von der Säure der Geschmack des Bräts ebenso gehoben wie der Schmelz des Käses.

Der Sauerteig als Geschmacksturbo

Es ist dieses Wurst-Brot-Paar, das am deutlichsten zeigt, dass die „richtige“ Gebäck-Wahl den Genuss entscheidend erhöhen kann. In diesem Falle schmeckt man die Qualität der Wurst viel intensiver als mit einem neutraleren Begleiter wie der Handsemmel.

„Die höchste Säure haben immer die Roggen-Vollkornbrote, egal, ob sie auch mit Hefe oder nur über einen Sauerteig gelockert werden“, reicht Erika Geier-Tschernig die Backstuben-Sicht nach. In der Tat ist es die Kombination aus diesem „Frischekick“ aus dem Brot mit der weichen Krume (= dem Brotinneren), die zur Käsewurst so perfekt passt. Alle drei Schwarzbrote schnitten hier gut ab, Fleischer Thomas Hofmann etwa fand auch das Roggen-Vollkorn-Brot mit Sonnenblumenkernen top. Die cremige Art dieser Krume schmiegt sich richtiggehend an den Käse der „Winzergold“.

Gefunden! Das ideale Schinken-Brot

Ähnlich fielen auch die Erfahrungen mit der letzten der fünf Wurstwaren aus. Der Veltliner-Schinken als besonders saftige Variante profitierte ebenfalls von einem intensiven Sauerteig. Schon die sanfte Würzung des Schinkens ließ Weißgebäck oder das ebenfalls helle 100%-Dinkelbrot („Dinkelblüte“) geschmacklich beinah verschwinden. Eine Geier-Spezialität – den mit Pfeffer und Salz gewürzten, sattgelben „Kurkuma-Grilling“ – als Akzentuierung zu verwenden, erwies sich als zu geschmacksintensiv.

Der feine Schinken Thomas Hofmanns fand seinen perfekten Partner dann in einem Sauerteigbrot mir langer Teigführung und ohne Hefe. Die „Bio-Kruste 1902“ ergänzte mit ihrer Kruste die Würze des Schinkens, die erdige Note des 30%-igen Roggen-Anteils ließ die leichte Süße des Fleischs geschmacklich schön erkennen. „Diese beiden sind auf Augenhöhe“, attestiert Thomas Hofmann dem Brot aus dem Steinofen. Und um nichts weniger sollte es Genießern gehen. Nachmachen ausdrücklich erwünscht!

Text & Fotos: Roland Graf

© Roland Graf

Die idealen Kombinationen

Käsewurst (Hofmanns „Winzergold“) & Murauer Bio Laib

Da die Wurst auch Kürbiskerne enthält, hielten alle das Käse-Kürbis-Weckerl für „aufgelegt“. Das hefefreie Brot nach altem Bergbauern-Rezept passte hingegen bestens. Alternative für Fleischer Thomas Hofmann: das Roggenbrot mit Sonnenblumenkernen.

Kranzl-Extra & Weinviertler Landbrot

Eines der überraschenden Ergebnisse war der nahezu neutrale Geschmack der als Wurstbegleitung üblichen Semmel. Das an sich feine Brät erhält hingegen von den Geschmacksnoten des Natursauerteigs eine neue Dimension – es schmeckt noch frischer und leichter. Klarer „Sieg“ fürs Brot!

Weinviertler Prosciutto & Baguette französische Art

Hier wurde lange über das Olivenbrot – gut passend, aber „schon eine Mahlzeit für sich“ – diskutiert. In jedem Fall braucht es viel Krustenanteil, denn auch der „helle“ Top-Partner, das bei Geier dunkler gebackene Baguette, punktete mit den Röstnoten.

Veltliner-Schinken & Bio-Kruste 1902

Hier ging um die richtige Intensität zum saftigen Schinken. Das helle Dinkelbrot war zu sanft, der „Kurkuma-Grilling“ mit seiner Pfeffer-Würzung zu mächtig zum im Veltliner-Sud bereiteten Schinken. Ideal hingegen war das intensive Brot aus dem Steinofen mit langer Teigführung. „Die beiden sind auf Augenhöhe“,
attestiert Thomas Hofmann.

Käsekrainer & Baguette bzw. Landbrot

Wie auch die Extrawurst benötigt auch die Käsekrainer, der Stolz der Hofmann’schen Erzeugung, viel Geschmack aus der Kruste als Widerpart. Das lieferten Baguette und Landbrot deutlich besser ab als die Handsemmel. Sie wurde zu Emmentaler und Majoran im Brät als zu „brav“ wahrgenommen. Ein weiteres spannendes Resultat!

Bäckerin aus Leidenschaft: Erika Geier- Tschernig. © Roland Graf

Die zehn Backwaren

Die klassische Handsemmel, Baguette, Weckerl und sieben Brote aus dem Hause Geier standen auf dem Prüfstand zu den Wurstspezialitäten:

  • Weinviertler Landbrot (Roggenmischbrot aus Natursauerteig)
  • Bio-Dinkelblüte (helles, 100%-iges Dinkelbrot)
  • Handsemmel
  • Käse-Kürbis-Weckerl
  • Roggen-Vollkorn (100 % Roggen mit Sonnenblumenkernen)
  • Bio-Kruste 1902 (hefefreies Brot aus 70 % Weizen und 30 % Roggen; 36 Stunden Teigführung, doppelt gebacken)
  • Oliven-Brot („Bio-Kruste 1902“ mit Oliven)
  • Kurkuma-Grilling
  • Murauer Bio Laib (100 % Roggenmehl, ohne Hefe)
Fleischermeister Thomas Hofmann © Roald Graf

Fleischer Hofmanns „Top 5“

Käsekrainer

Mehrfach als „Produktchampion“ zu den besten Österreichs gekürt. „Hoher Anteil an Emmentaler im Brät, feine Majoran-Würzung“, mehr lässt sich Thomas Hofmann zu seinem Bestseller nicht entlocken.

Kranzl-Extra

Feines Brät aus gekuttertem Rind- und Schweinefleisch ergibt eine elegante Brühwurst. Auch wenn der kritische Thomas Hofmann sie scherzhaft „für mich fast immer noch zu grob“ hält – eine mustergültige Extra!

Veltliner-Schinken

Magere Schlögelteile vom Weinviertler Strohschwein, die im Sud aus Grünem Veltliner veredelt und milder Gewürzlake gepökelt werden. Schonend gekocht und behutsam überbacken.

Weinviertler Prosciutto

Lange wurde von Seniorchef Franz Hofmann an diesem, nunmehr zwei Jahre gereiften Prosciutto getüftelt. Fleisch und Meersalz, keine chemischen Zusätze, lautet die Basisrezeptur des zart schmelzenden Rohschinkens.

Winzergold

Käsewurst mit regionalen Kürbiskernen. Fleisch vom Weinviertler Strohschwein wird mit hochwertigem Emmentaler („Das ist wichtig für den Geschmack“, so Thomas Hofmann) und Gewürzen kombiniert.

Brot & Schinken – ein Genuss! © Roland Graf

 

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