Die besten Geschichten beginnen manchmal mit einer einfachen Mail. Fleischermeister Markus Dormayer, der in seiner Fleischerei im niederösterreichischen Langenzersdorf bereits seit neun (!) Jahren mit einer sensationellen veganen Blutwurst für Furore sorgt, entdeckte das Start-up-Unternehmen „Die Pflanzerei“ – und kontaktierte Gründerin Nadine Ruedl. Bereits ein paar Monate später werkelten die beiden innovativen Köpfe daran, einen typischen österreichischen Leberkäse in einer veganen Variante zu kreieren. Bis zum ersten Bissen brauchte es seine Zeit, viele Tests und Versuche –, jetzt aber ist das perfekte Rezept gefunden und der vegane Leverkas namens „Gustl“ steht in den Startlöchern, um Österreich und auch den Rest der Welt zu erobern.
Wieso veganer Leberkäse?
Für Nadina Ruedl hängt das ganz stark mit der Kindheit zusammen: „Mit einer nostalgischen Erinnerung, an den Besuch beim Metzger, an die Glocke, die dort beim Eintreten läutet und den Geruch des Leberkäses mit Gurkerl. Das ist noch immer so präsent in meinen Gedanken“, erzählt Ruedl. Dennoch hat sich die Wienerin vor zweieinhalb Jahren dazu entschlossen, sich vegan zu ernähren. „Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich sehr gerne, aber immer hochwertiges Fleisch gegessen. Bei der Umstellung auf vegan wollte ich dann alles 1:1 umsetzen, bin aber schnell draufgekommen, dass das nicht wirklich funktioniert“, erzählt sie von ihren ersten Vegan-Realitäten, „und wenn man dann im Supermarkt steht und die ganzen Dinge mit den eigenartigen Farben sieht und keine gute vegane Fleisch-Alternativen findet – das ist dann nicht das, was ich mir für meinen Genuss wünschte! Daraus ist dann der Idee entstanden, etwas zu kreieren, das funktioniert und schmeckt.“
Immerhin ernähren sich heute etwa 800.000 Österreicher vegetarisch oder vegan und bis zu 45 Prozent wollen als Flexitarier ihren Fleischkonsum einschränken.
Die Geburtsstunde von Gustl
Und hier kommt dann das Können von Markus Dormayer ins Spiel. Es war für den Fleischermaestro gar nicht so einfach, eine vegane Leberkäse-Variante zu entwickeln. Und dass obwohl er die letzten Jahre bereits etwa 170 Kilo vegane Blutwurst in der Woche produziert –, aber bis zum sogenannten „Leverkas” waren es „schreckliche Nächte”, gibt Dormayer im Interview zu und lacht: „Ich habe erst im April vom Papa (Anm. d. Red.: Franz Dormayer) den Fleischerei-Betrieb übernommen und damit natürlich genug Arbeit. Trotzdem hat mich die Idee nicht mehr losgelassen und ich habe in den letzten Monaten in den ,Gustl‘ sicher mehr als 60 Stunden in die Entwicklung reingesteckt – meist in der Nacht.“ Nachsatz: „Ohne meine Eltern und meine Frau wäre sich das aber nicht alles so ausgegangen.“
Um die richtige Mischung zu finden, ging das Duo nach der klassischen Methode „Versuch und Scheitern“ vor. Dormayer: „Wir haben insgesamt etwa 200 kg an Zutaten verworfen, bis wir das richtige Rezept gefunden haben. Es kommt vor allem auf die grünen Erbsen in Pulverform an, das ist unsere aus Frankreich stammende pflanzliche Eiweiß- und Ballaststoffquelle, dafür wird alles andere regional hergestellt, wie die Erdäpfel, rote Rübe, Zwiebel, etc.“ Und Ruedl ergänzt: „Die regionale Verfügbarkeit war für uns wichtig, aber ohne das französische Erbsenpulver wäre die Textur des Bräts nicht zustandezubringen und dieses wird leider in Österreich nicht produziert.“
Kritische Fleischer-Branche
Für die Entwicklung des Leverkas lag der Fokus nicht nur in der veganen Welt, sondern es sollten auch die Fleischesser angesprochen werden. Ruedl: „Vegan wird oft mit Verzicht definiert, das ist es aber nicht. Es geht darum, eine Systemveränderung zu ermöglichen und Fleischessern eine zusätzliche Möglichkeit zu bieten. Das Interesse unter den Fleischessern ist da. Wenn man weiß, was schmeckt – und da ist Markus natürlich der perfekte Partner –, so können wir es schaffen, dass der Genuss von pflanzlichen Produkten in Zukunft ganz normal sein wird!“
„Viele“, so Ruedl, „denken, dass vegan produzierte Lebensmittel grundsätzlich aus dem Labor stammen, davon sind wir aber weit weg. Bei uns geht es ganz einfach ums Handwerkliche. Wir haben einen Kutter, in dem wir die Zutaten mixen und im Ofen den ,Gustl‘ wie jeden normalen Leberkäse fertig backen.“
Für Markus Dormayer ist das ganze nicht so einfach, denn aus der Fleischerzunft gibt’s nicht nur positives Feedback, „aber ich hab’ einen breiten Buckel“, schmunzelt er und bringt es auf den Punkt: „Es ist doch egal, ob ich Fleischwurst mache oder Pflanzenwurst. Gute Zutaten werden in eine Form gebracht, denn Stangenwurst ist ja auch eine runde Kunstform. Aber der Erfolg gibt mir sowieso recht. Ich mache Wurst, in welcher Art auch immer. Hauptsache sie schmeckt und es ist etwas Gutes drinnen. Die Konsumenten, wie wir jetzt sehen, sind auch von der Qualität und dem Geschmack überzeugt.“
Veganer Fleischgenuss: Der Weg ist das Ziel
Nachdem Familie, Freunde und selbst der Hund von Markus Dormayer den „Gustl“ verkostet haben, war der „Leverkas“ bereit – und wurde Ende August auf der „Veganmania“, der veganen Messe auf der Wiener Donauinsel präsentiert. Der Erfolg dort war enorm. Die langen Warteschlangen vor dem witzigen Fahrradmobil, dem Foodbike der „Pflanzerei“, waren mehr als ein Beweis dafür, dass der Kas einer guten Zukunft entgegensieht. Einige, ebenfalls neu aufgestellte Mitbewerber, haben sich schwer getan – hier hielten sich Wartenzeiten und wohl auch Geschmack in Grenzen.
Der Weg bis dahin war natürlich von Herzblut und Stress gekennzeichnet. Ohne weitere Unterstützung hätte Gustl vielleicht nicht so bald das Licht der Welt erblickt. Aber die Ideengeberin Nadine Ruedle suchte und fand Förderer, die die nötige Unterstützung boten, wie etwa bei „greenstart“, der Start-up-Initiative des Klima- und Energiefonds. Eine Fachjury wählte „Die Pflanzerei“ in die Runde der zehn förderungwürdigen Projekte. Damit konnte Ruedl ein Startkapital von 10.000 Euro ergattern.
Ausschlaggebend für den Zuschlag war, dass bei der Herstellung der veganen Wurstprodukte der CO2-Fußabdruck gegenüber tierischen Varianten zwischen 78 % und 89 % reduziert werden kann. Gleichzeitig kommen auch regionale Rohstoffe zum Einsatz und damit wird auch die heimische Landwirtschaft eingebunden. Nicht nur die Herstellung des veganen Lebensmittels sind Ruedl und Dormayer wichtig, es wird auch auf andere „Kleinigkeiten“ geachtet, wie etwa die Servietten, in der eine Leverkas-Semmel eingewickelt wird, die ebenfalls nachhaltig hergestellt werden. Selbst beim mittlerweile gefragten T-Shirt „Ungustl“ wird auf Nachhaltigkeit und faire Produktion gesetzt.
Damit weiterhin Förderungen fließen können, bedeutet das, hunderte Stunden aufzuwenden, um Anträge und Businesspläne zu schreiben, wofür die studierte Betriebswirtin Ruedle aber ein Händchen hat. So wurde auch Geld beim Förderprojekt „Re:Wien“ lukriert. Mittlerweile geht der Blick auch über die Grenzen hinweg, so wurde beim Berliner Verein „ProVeg“ um Unterstützung angesucht, damit können auch Kontakte zu internationalen Experten und Ressourcen geknüpft werden.
Ein Gustl kommt selten allein
Doch der Weg ist noch nicht am Ende. Dormayer und Ruedl sind schon wieder am probieren und entwickeln bereits nächste Spezereien. „Ich hoffe, dass ich demnächst die ,vegane Weiswurst‘ perfekt hinkriege, allein es fehlt mir an Zeit“, plaudert der Fleischermeister aus der Produktion und verrät auch gleich, dass im Hinterkopf schon Rezepte für vegane Bratwürstl & Co schlummern. Auf jeden Fall werden in den nächsten Monaten diverse Lebensmittelmessen mit dem Foodbike angefahren. Zugleich gibt es schon Interessenten, die für die „Pflanzerei“ aufs Radl steigen und den „Gustl“ unter die Leute bringen möchten.
Außerdem, aber darüber wird noch nicht einmal hinter vorgehaltener Hand etwas verraten, hat auch der Handel schon großes Interesse signalisiert. „Für uns ist es wichtig, ein Vertriebsnetz in Gang zu bringen und wir planen demnächst auch einen Pop-up-Store in Wien sieben zu bespielen“, verrät Ruedl.
Auf alle Fälle geht somit das Fleischerhandwerk in neue, spannende Zeiten. Und Markus Dormayer zeigt erfolgreich vor, welchen schmackhaften und erfolgreichen Perspektiven all seine Kollegen entgegen sehen dürfen. Bravo!
Autorin: Andrea Pascher