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Importfalle Eigenmarken: Supermärkte opfern Tierwohl und Natur für Profit

Der Verein „Wirtschaften am Land“ hat fast 1.000 Eigenmarken-Produkte aus dem Butter- und Käse-Sortiment heimischer Supermärkte unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse sind ernüchternd, zeigt sich doch, dass bei rund 40 Prozent die Herkunft der Milch für Konsumenten nicht zweifelsfrei nachvollziehbar ist. Das bedeutet, dass für die Erzeugung teilweise oder vollständig Milch aus dem Ausland verwendet worden sein könnte.

Denn vielfach findet sich auf Eigenmarken-Produkten der Handelskonzerne nicht das AMA-Gütesiegel, welches die heimische Herkunft der Rohstoffe zweifelsfrei garantieren würde, sondern nur das sogenannte „Identitätskennzeichen“. Dieses gibt aber nur an, dass das Produkt zuletzt in Österreich bearbeitet wurde. Die Rohstoffe, also etwa die Milch für Käse und Butter, könnten aber aus Polen, Spanien oder Rumänien stammen.

Butter & Käse: Milch bei 40% der Eigenmarken nicht nachweislich aus Österreich

Im Zuge eines Regionalitäts-Checks hat der Verein „Wirtschaften am Land“ gemeinsam mit Jungbauern aus Kärnten, Oberösterreich und Tirol Eigenmarken-Milchprodukte der heimischen Lebensmitteleinzelhändler und Diskonter genau unter die Lupe genommen. Die Tester haben insgesamt 963 Butter- und Käseprodukte nach Kriterien wie Herkunft und Preis untersucht. Das überraschende Ergebnis: 40% der Produkte sind nicht nachweislich mit österreichischer Milch hergestellt.

„Die Ergebnisse des Regionalitäts-Checks lassen Luft nach oben. 60% der Milchprodukte sind unzweifelhaft von heimischen Milchbauern. Bei 27% ist allerdings gar nicht erkennbar, woher der Rohstoff Milch stammt“, erklärt Neudorfer. Das Gros der 963 überprüften Produkte entfällt auf verschiedene Käsesorten wie Mozzarella, Schnitt- oder Streichkäse. „59% davon wurden mit österreichischer, gentechnikfreier Milch hergestellt“, führt die Jungbäuerin aus: „Bei der Butter sind es sogar 72% Österreich-Anteil. 21% sind allerdings auch hier nicht ordentlich gekennzeichnet“, bemängelt Neudorfer.

„Nach wie vor gibt es verschiedene Methoden der Kennzeichnung, die die Konsumentinnen und Konsumenten oft verwirren, anstatt Sicherheit zu geben. Bezeichnungen wie ‚Abgepackt in Österreich‘ sind keine Herkunftsangabe, sondern verweisen nur auf den letzten Verarbeitungsschritt, ebenso wie das sogenannte Genusstauglichkeitskennzeichen“, so Költringer, Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter: „Eine sichere Herkunftsbezeichnung ist das AMA-Gütesiegel, das zudem Qualität über gesetzlichen Standards garantiert.“ In den letzten Jahren hat der Eigenmarken-Anteil im Supermarkt stets zugenommen, führt Költringer aus: „Die RollAMA-Daten für das Jahr 2022 zeigen, dass die Eigenmarken mit 63% beinahe zwei Drittel des Sortiments einnehmen, Tendenz steigend. Im Käsebereich lag der Anteil bei immerhin 58%.“

Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel soll Sicherheit geben

Zu beachten sei, dass günstige Einstiegspreise kompensiert werden müssen, ergänzt Carina Reiter: „Wir fragen uns, wer die Kosten billiger Eigenmarken trägt – und wer davon profitiert. Fakt ist, dass der höhere Anteil auch das Kräfteverhältnis am Verhandlungstisch verschiebt, wie der erste Tätigkeitsbericht des unabhängigen und weisungsfreien Fairness-Büros zeigt. In der Diskussion rund um die Preisentwicklung von Lebensmitteln dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Bäuerinnen und Bauern nach wie vor mit hohen Produktionskosten konfrontiert sind. Um stabile Preise zu gewährleisten, braucht es ein starkes Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft. Ein Dank gilt allen entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette, die sich an die Seite unserer Bauernfamilien stellen.“

Reiter tritt für mehr Transparenz ein: „Der Regionalitäts-Check hat eindeutig klargestellt, dass in diesem Bereich noch Nachholbedarf herrscht. Qualitativ hochwertige Lebensmittel aus Österreich dürfen nicht unter dem Deckmantel der Anonymität beliebig durch kostengünstigere, ausländische Urprodukte austauschbar sein. Deshalb fordern wir die verpflichtende Herkunftskennzeichnung auf verarbeitete Lebensmittel, wie seitens der EU-Kommission schon lange angekündigt.

Die mittelfristige Sicherstellung der Versorgung ist nur mit wirtschaftlicher Stabilität auf den Höfen möglich, gerade die Jungbauern und jungen Hofübernehmer brauchen Zukunftsperspektiven. Wir fordern daher Zug zum Tor, um schon bald den Konsumentinnen und Konsumenten mehr Sicherheit beim Einkauf und den österreichischen Bauernfamilien eine angemessene Wertschöpfung für die tägliche Arbeit bieten zu können.

Lebensmittelhandel agiert als Produzent unverantwortlich

„Der Handel schiebt die Schuld für hohe Preise oder Intransparenz gerne auf seine Lieferanten. Dort, wo die 4 Handelskonzerne aber selbst als Produzenten agieren, es also besser machen könnten, versagen sie. Wenn bei 40 Prozent der untersuchten Eigenmarken-Produkte die österreichische Milchherkunft nicht garantiert wird, dann lässt das tief blicken. So wird das Tor für Tierleid und Naturzerstörung bewusst offengehalten.

Die Österreicher wollen kein genmanipuliertes Kraftfutter oder Soja aus dem Regenwald in Butter und Käse, sie landen aber über die Eigenmarken dennoch im Regal. Ohne volle Transparenz können Konsumenten sich nicht dagegen entscheiden. Das zeigt einmal mehr, dass die Supermärkte ihrer Verantwortung nicht nachkommen“ so Sebastian Bohrn Mena, Sprecher der Bürgerinitiative oekoreich, die sich dem Konsumentenschutz verpflichtet fühlt.

Eigenmarken erzeugen Abhängigkeiten

Eigenmarken nehmen einen immer größeren Teil im Sortiment der Lebensmittelhändler ein, aktuell sollen es über 60 Prozent sein – sehr zum Unmut der Bauern. Erst kürzlich hat eine oberösterreichische Bäuerin in einer öffentlichen Stellungnahme auf die negativen Folgen dieser Entwicklung für die heimische Landwirtschaft hingewiesen. Doch auch für Konsumenten ist der verstärkte Trend zur Eigenmarke fatal, so Bohrn Mena abschließend:

„Der Handel inszeniert sich zuerst als Robin Hood, schlägt dann aber in der Teuerungskrise bei Eigenmarken gleich doppelt so viel auf wie die Mehrkosten bei Markenartikeln betragen. Das Oligopol im Handel darf nicht das Oligopol in der Nahrungsmittel-Erzeugung weiter verstärken, genau in diese Richtung geht es aber jetzt. Die Wettbewerbsbehörde ist aufgefordert das zu untersuchen, die Politik muss die Transparenz erhöhen“.

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