
I Europa ist zwar mancherorts eine Reduktion von Agrarflächen und Ausbreitung von Waldflächen zu beobachten. Um den Hunger nach immer stärker fleischlastiger – und damit ressourcenintensiver – Nahrung zu befriedigen, brauche es dennoch insgesamt größere landwirtschaftliche Flächen, erklärte der Ökologe Thomas Kastner. Diese liegen aber zunehmend außerhalb Europas.
„Uns interessieren vor allem Betrachtungen des Landsystems und wie sich dieses über die Zeit hinweg verändert“, so der Wissenschafter vom in Wien ansässigen Institut für Soziale Ökologie Wien der Universität Klagenfurt. Im Rahmen des von der EU-geförderten Forschungsprojekts „VOLANTE – Visions of land use transitions in Europe“ haben sich Kastner und Kollegen aus über 20 Forschungseinrichtungen über fünf Jahre mit der Entwicklung der Landnutzung in Europa und Zukunftsaussichten auseinandergesetzt.
Berechnung der Anbauflächen
Dazu wurden neun Länder aus allen Teilen Europas ausgewählt. Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Forscher Daten, anhand derer die Entwicklung in den vergangenen 100 Jahren analysiert werden konnte. Doch in Zeiten der zunehmenden Globalisierung und vernetztem Handel müsse man den Fokus erweitern, um die Entwicklung der Landnutzung besser zu verstehen, erklärte Kastner seinen Anteil am Projekt. Besonders wichtig für diese Analysen war die Berechnung der Anbaufläche, die für eine bestimmte Menge eines landwirtschaftlichen Produktes in verschiedenen Regionen benötigt wird.
Soja aus Südamerika
„In vielen europäischen Ländern sehen wir, dass sich die Wälder wieder ausbreiten. Die Frage war, ob das passiert, weil mehr importiert wird oder sich die Landwirtschaft intensiviert“, erklärte Kastner. Im Zeitraum nach 1986 zeigten sich beide Effekte und je nach Land ergab sich ein anderes Bild. Um etwa den österreichischen Bedarf zu decken, habe es schon immer große Flächen außerhalb Europas gebraucht.
Im Gegensatz zu Italien, Spanien oder Großbritannien ergab sich für Österreich aber keine starke Zunahme der Importe.
Insgesamt liege ungefähr jeder dritte Hektar Ackerland für den Konsum in der EU außerhalb ihrer Grenzen. Im Gegensatz exportiert die EU nur das, was auf zehn Prozent der EU-Agrarfläche wächst. In immer größerem Ausmaß wird etwa Soja als Tierfutter aus Südamerika importiert. Das liegt daran, dass in Europa immer mehr Fleisch gegessen wird, das auf diese Weise billig produziert wird.
Hier zeigt sich laut Kastner, „dass zwar die Landwirtschaft intensiver wird, die Leute aber auch ressourcenintensiver essen und man dementsprechend mindestens gleich große oder global gesehen sogar mehr Flächen braucht“. Selbst wenn Bevölkerungszahlen stagnieren oder zurückgehen, sei das keine Garantie, dass auch der Landbedarf sinkt – der Fleischhunger kann die Flächen-Reduktion also gewissermaßen auffressen.
Visionen für die Zukunft
Ein wichtiger Teil des VOLANTE-Projekts war auch, zusammen mit Experten Visionen für die zukünftige Landnutzung zu entwickeln und diese zu kommentieren. Dabei habe sich gezeigt, „dass diese Visionen relativ weit von den Trends liegen, die man in den vergangenen Jahrzehnten sehen kann“, so Kastner. Schaut man sich den internationalen Handel an, werde schnell klar, „dass es massive Eingriffe bräuchte, um etwa auf eine Vision zu kommen, die auf mehr Regionalisierung setzt“. Außerdem müssten sich die Ernährungsgewohnheiten verändern.
red.