
Jeden Tag schlittern in Österreich im Schnitt mehr als 13 Unternehmen in die Pleite. Betroffen sind in der Regel viele kleine bis hin zu mittelgroßen Unternehmen, auch wenn es meist nur spektakuläre Großpleiten in die Schlagzeilen schaffen.
Peter Androsch ist Geschäftsführer von Österreischs führendem Kreditversicherungsmakler A.C.I.C – er berät zahlreiche Big Player aus der Fleischwirtschaft bei der Absicherung ihrer Lieferforderungen. Fleisch & Co traf den erfahrenen Geschäfts mann zum interessanten Interview.
Sie helfen Unternehmen bei der Auswahl der passenden Kreditversicherung. Welche Rolle spielt die Absicherung gegen Zahlungsausfälle in der Fleischbranche?
Peter Androsch: „Tatsächlich eine sehr große Rolle. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede. Fast alle großen Schlachthöfe und Fleischverarbeiter haben wie ganz selbstverständlich eine Kreditversicherung abgeschlossen, um sich gegen einen Zahlungsausfall oder Zahlungsverzug abzusichern.
Bei kleinen Fleischereibetrieben gibt es jedoch noch viele, die ohne Sicherheitsnetz unterwegs sind. Es ist mir rätselhaft, wie die das durchhalten.“
Welche Gründe kann das haben?
Peter Androsch: „Die großen Schlachthöfe und die Fleischverarbeiter sind traditionell sehr stark in der Kreditversicherung vertreten, weil diese Absicherung für sie einfach über lebenswichtig ist. Das hat mit der engen Margensituation zu tun. Diese Betriebe könnten sich einen Zahlungsausfall bei einem ihrer Kunden einfach nicht leisten.
Das Wachsen der großen Player am Markt ist zum Gutteil dadurch erklärbar, dass immer wieder kleine Schlachthöfe Pleite gehen, die im Anschluss von den großen Anbietern geschluckt werden. Die Großen werden nicht zuletzt dadurch immer größer.“
Einige kleine Betriebe verzichten offenbar bewusst auf eine Absicherung. Was könnten die Gründe sein?
Peter Androsch: „Es ist eine Art Spekulation, auf die sich die kleinen Player eher einlassen als die Großen. Sie wiegen sich in Sicherheit, weil sie beispielsweise 50 Prozent ihres Umsatzes mit großen Supermarktbetreibern erzielen. Es ist natürlich absolut richtig, dass die Insolvenzgefahr bei den Handelsketten gering ist.
Aber die kleinen Schlachthöfe und Fleischverarbeiter vergessen bei ihrer Sichtweise, dass sie die restlichen Umsätze eben nicht mit Billa & Co machen, sondern mit Kunden unterschiedlicher Bonität. Dort ist die Insolvenzgefahr entsprechend hoch. Denken Sie nur an die Gastronomie als wichtigen Kunden der Fleischbranche. In den Insolvenzstatistiken sind Hotels und Restaurants regelmäßig überproportional stark vertreten.
Auch in den Exportmärkten lauern zahlreiche Risiken. In der Fleischbranche ist zum Beispiel Italien ein wenig ein Sorgenkind.“
Können die offenen Forderungen gegenüber einem Hotel so groß aus fallen, dass sie im Fall einer Insolvenz des Hotels den Fleischbetrieb eben falls ins Taumeln bringen können?
Peter Androsch: „Ja. Gerät ein Kunde temporär in Zahlungsverzug, werden langjährige Kunden oft trotzdem eine Zeit lang weiterbeliefert. Bei größeren Gaststätten können die Forderungen dadurch beträchtlich ausfallen. Die Weiterbelieferung birgt zudem die Gefahr einer Insolvenzanfechtung.
Im Fall einer Pleite des Kunden kann der Masseverwalter vom Lieferanten sogar bereits erhaltene Zahlungen zurückfordern. Und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem der Lieferant hätte wissen müssen, dass der Kunde zahlungsunfähig ist. Als Indiz dafür könnte die Weiterbelieferung trotz Zahlungsverzug herangezogen werden. Das passiert in der Praxis gar nicht so selten.“
Wie kann man sich dagegen schützen?
Peter Androsch: „Man kann sich natürlich dagegen versichern. Eine andere bzw. zusätzliche Maßnahme ist die Einführung eines rigorosen Kreditmanagements. Immer wenn ein Kunde seine gewohnte Zahlungsweise verändern will, sollte man dem nicht ohne Weiteres zustimmen und auch keine Ausnahmen machen.
Der Wunsch nach Verlängerung des Zahlungsziels von beispielsweise 30 auf 50 Tage könnte vom Masseverwalter als Indiz gewertet werden, um eine Insolvenzanfechtung in die Wege zu leiten. Das könnte ein anfechtungsverdächtiger Tatbestand sein. Gleiches gilt, wenn die Medien bereits über Probleme bei einem Kunden berichten und die Lieferung trotzdem fortgesetzt wird.“
Die kleinen Fleischereibetriebe könnten auch dadurch Vorsorge treffen, indem sie das Geschäft mit den großen Supermarktketten forcieren, denn dort ist die Pleitegefahr wesentlich geringer …
Peter Androsch: „… das ist sicher korrekt, aber dort sind auch oftmals die Margen wesentlich kleiner. Grundsätzlich ist die Strategie der Schlachthöfe und Fleischverarbeiter nicht schlecht, wenn sie auf eine ausgewogene Kundenstruktur achten. Die kleinen Abnehmer sorgen für höhere Margen, und die großen bieten eine höhere Ausfallssicherheit.
Wenn es allerdings zu einem Zahlungsausfall kommt, kann der Fleischbetrieb aufgrund der geringen Margen bei den Großen den Ausfall manchmal nicht kompensieren und schlittert selbst in die Insolvenz. Darum ist es äußerst riskant, auf eine Absicherung zu verzichten, denn die Spekulanten von heute könnten die Pleitekandidaten von morgen sein.“
In welcher Größenordnung bewegen sich die Prämien ungefähr? Womöglich ist auch das ein Grund, warum einige kleinere Betriebe auf eine Forderungsabsicherung schließlich verzichten?
Peter Androsch: „An der Prämienhöhe dürfte es kaum liegen, zumal wir als Österreichs größter Kreditversicherungsmakler nicht nur ständig die Konditionen der einzelnen Anbieter im Auge behalten, sondern auch eine gewisse Verhandlungsmacht haben.
Ich möchte jetzt ungern eine Zahl nennen, weil sehr viele Faktoren eine Rolle spielen. Neben dem Umsatz spielen zum Beispiel auch die Exportquote, die Exportdestination oder die Verteilung der Außenstände eine Rolle. Bei Unternehmen mit Jahresumsätzen zwischen einer und 50 Millionen Euro müssen Sie ungefähr mit Jahresprämien zwischen 3.000 und 120.000 Euro rechnen.“
Zum Abschluss noch eine persönliche Frage. Essen Sie selbst eigentlich gerne Fleisch?
Peter Androsch: „Ich bin nicht nur ein bekennender Fleischesser, sondern auch ein bekennender Qualitätsfleischesser. Ich ernähre mich sogar bevorzugt von dem in manchen Zeit schriften verteufelten roten Fleisch.
Fleisch steht für mich nicht nur für Genuss, sondern liefert mir genau jene Energie die ich benötige, um meinen Job optimal zu erledigen.“