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Ein Schlag für die Wertschätzung: Lidl verschenkt Mehrwertsteuer auf Fleisch

Mit einer Preisoffensive zur Grillsaison setzt Lidl Österreich ein umstrittenes Zeichen – und konterkariert damit das Bemühen vieler Fleischereien und Landwirt:innen um Qualität, Regionalität und faire Preise.

Während Handwerksbetriebe, Direktvermarkter:innen und bäuerliche Erzeuger:innen seit Jahren um faire Bedingungen und Wertschätzung für ihre Arbeit kämpfen, prescht Lidl Österreich mit einer groß angelegten Rabattaktion vor: Im gesamten Juni wird auf frisches Rind- und Schweinefleisch die Mehrwertsteuer erlassen – ein Preisnachlass von 10 Prozent auf über 50 Artikel.
Was auf den ersten Blick nach Entlastung für Konsument:innen aussieht, entpuppt sich auf den zweiten Blick als problematisches Signal: Fleisch wird einmal mehr zur Aktionsware degradiert – ein beliebiges Produkt, das wie Shampoo oder Mineralwasser durch Rabattaktionen zum Kauf animieren soll. Dass dafür Tiere geschlachtet wurden, dass hinter einem Stück Fleisch handwerkliche Arbeit und landwirtschaftliche Produktion stehen, rückt bei solchen Preisstrategien in den Hintergrund.

Wertverlust durch Billigaktionen

„Wenn Lebensmittel zur Wegwerfware werden, bricht uns buchstäblich unser gesamtes Wertesystem zusammen“, warnt ein regionaler Fleischhauer. Viele in der Branche sehen die Aktion als Schlag ins Gesicht – vor allem für jene, die sich bemühen, Herkunft, Qualität und Tierwohl transparent zu machen und ihren Kund:innen nachvollziehbare Wertschöpfungsketten anzubieten.
Zwar betont Lidl, dass die Aktion auf eigene Kosten durchgeführt werde und weder Qualität noch Lieferanten darunter leiden würden. Doch was bedeutet es langfristig für den Markt, wenn große Handelsketten weiterhin das Preisniveau drücken? „Teuer kommt der billige Preis vor allem die Landwirtschaft zu stehen“, so ein Vertreter der Direktvermarktung. Viele bäuerliche Betriebe können mit solchen Preisen nicht mithalten – und kämpfen bereits jetzt um ihre Existenz.

Verdrängung durch den Preis

Die Aktion verstärkt eine Dynamik, die das Lebensmittelhandwerk schon lange zu spüren bekommt: Wer sich nicht dem Preisdruck unterordnet, wird zunehmend verdrängt – aus den Innenstädten, aus der Wahrnehmung, aus dem Alltag. Regionale Nahversorger:innen und Fleischereien mit Handwerkstradition geraten zunehmend ins Abseits, obwohl sie einen entscheidenden Beitrag zu Ernährungssouveränität, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit leisten.
Dass Lidl sich selbst als „bester Lebensmittelhändler“ und als Preis-Leistungs-Sieger feiert, mag marketingtechnisch wirksam sein. Doch es lenkt vom Kernproblem ab: Nachhaltige Landwirtschaft und verantwortungsbewusste Fleischproduktion sind nicht zum Schleuderpreis zu haben – und sollten es auch nicht sein.

Fleisch hat seinen Preis – und seinen Wert

Wer regionale Fleischereien unterstützt, investiert nicht nur in bessere Qualität, sondern auch in eine lebendige Nahversorgung, faire Entlohnung und ein respektvolleres Verhältnis zu Lebensmitteln. Solche Betriebe sind nicht Teil eines anonymen Systems – sie stehen für Haltung, Herkunft und Handschlagqualität. Aktionen wie jene von Lidl gefährden genau diese Betriebe – nicht durch direkte Konkurrenz, sondern durch ein schleichendes Verschieben von Maßstäben.
Wenn Fleisch nur noch über den Preis verkauft wird, verliert es nicht nur an Wert, sondern auch an Würde. Gerade jetzt, zur Grillsaison, wäre es an der Zeit, umdenken zu lernen: Weniger Fleisch, aber dafür besseres – und mit Respekt vor dem, was es wirklich ist.

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