Die Adresse Klamm 80b im Tiroler Tourismusort Leutasch – zählt zur Olympiaregion Seefeld und ist ein Eldorado für Wanderer und Biker im Sommer und Langläufer im Winter – hat eine bewegte Geschichte. Ebendort existiert bereits seit rund 20 Jahren ein Schlachthof. Diesen nutzten die rund 120 Leutascher Bauern für die genossenschaftliche Eigenschlachtung von Rind, Schwein, Kalb und Lamm. Bis die Regelung kam, dass Schlachthöfe nur noch nach EU-Kriterien betrieben werden dürfen.
So kam das damalige Angebot von Jagdpächter Alexander Swarovski gerade recht: nämlich den Schlachthof zu pachten, drei Metzger anzustellen und das Wildbret aus der Region sowie auch das Fleisch der Bauern weiterzuverarbeiten und zu vermarkten. Er investierte 2014 in den Ausbau des Schlachthofs, erweiterte und modernisierte das Gebäude mit neuen Kühlanlagen, Maschinen, Metzgereigeschäft, Büro- und Lagerräumlichkeiten, Corporate Design und Online-Shop. A. Swarovski aus der gleichnamigen Kristall-Dynastie gilt somit als der Erfinder der Marke „Gut Leutasch“.
Die bewegte Geschichte
Vier Jahre später stand das Projekt „Gut Leutasch“ dann aber an der Kippe. Alexander Swarovskis Lebensziele hatten sich verändert. Fleischerei und Schlachthof sollten verkauft oder zugesperrt werden. Kitschig wie in einem Heimatroman ging die Geschichte aber weiter. Es war die Liebe zur Jagd, zum Wildbret und zum Produkt Fleisch, die den Spenglermeister und Dachdecker Manfred Neuner veranlasste, den Betrieb 2018 schließlich zu übernehmen.
Die Zukunft der Marke und der Betrieb des Gut Leutasch schienen bis auf Weiteres gesichert. Fünf bis sechs Leute hatten wieder eine Arbeit: ein Metzgermeister, zwei Fleischverarbeiter und Fleisch-Verkäuferinnen. Das Fleisch der Bauern, in erster Linie Rind, wurde weiterhin geschlachtet und veredelt, ebenso wie das Wildbret der Leutascher und umliegenden Jagdreviere am Seefelder Plateau. Da ging es um Stückzahlen von rund 700 Wildbret und zirka 100 Rinder und Schafe pro Jahr. Gut-Leutasch-Kunden konnten direkt vor Ort in Leutasch in der zum Schlachthaus zugehörigen Fleischerei einkaufen. Im Frühsommer 2019 wird eine Gut-Leutasch- Filiale im touristisch noch stärker frequentierten Seefeld eröffnet. Fleisch & Co hat damals ausführlich darüber berichtet.
Doch dann kam der große Knall, die Marke Gut Leutasch ging pleite. Die Fleischerei wurde zugesperrt, die Maschinen in Metzgerei und Schlachthaus versteigert.
Neues Konzept: Klamm 80b
„Eigentlich bin ich aus Interesse an den Maschinen auf das Gut Leutasch aufmerksam geworden”, sagt Thomas Leitner. Der gelernte Fleischer und Schlachter betreibt gemeinsam mit seiner Frau und Fleischfachverkäuferin Simone Leitner die Schlachtstelle Wenns im Tiroler Pitztal. Dort hat sich das Paar über die Jahre einen Namen mit der Schlachtung, Veredelung und dem Direktvertrieb von hochwertigem regionalem Fleisch gemacht.
Die Verarbeitung des ganzen Tieres ist den Leitners dabei das wichtigste Anliegen ebenso wie die Transparenz und Herkunft. „Der Konsument soll wissen, woher das Tier kommt, von welchem Bauern, wie es gefüttert und gehalten wurde, wann es ge- schlachtet wurde und welche Teile verarbeitet wurden.“ Für die verarbeiteten Teile (Nose to Tail) erhalten die Bauern auch einen fairen Preis. Die Konsumenten sollen einen ebensolchen bezahlen. Das ist kurz gefasst die Arbeitsweise des Ehepaares Leitner. Und diese Grundsätze sollen jetzt auch bei „Klamm 80b Schlachthaus und Metzgerei“ – so heißt das neue Unternehmen am ehemaligen Gut-Leutasch-Standort – gelten. Thomas und Simone Leitner haben sich nämlich entschlossen, ihre Heimat im Pitztal zu verlassen (Simone kommt ursprünglich aus Deutschland und ist der Liebe wegen Wahltirolerin geworden) und sich in Leutasch eine neue Existenz aufzubauen.
Die fantastischen Vier
Das müssen sie nicht alleine. Gemeinsam mit dem Geschwisterpaar Claudia und Michael Kogler, die das Restaurant „Die Wilderin“ in der Innsbrucker Altstadt be-treiben, haben sie eine Kommanditgesellschaft gegründet. Thomas Leitner ist Geschäftsführer und Hauptgesellschafter. Simone Leitner, Claudia und Michael Kogler sind Mitgesellschafter. Man kennt sich schon länger. Im Innsbrucker Restaurant legen die Geschwister Kogler großen Wert auf regionale Herkunft und Fleischqualität. „Wir verkochen alles. Von den Fleischteilen über die Innereien bis zu den Knochen.“ Die Speisekarte wechselt täglich. „Weil eine ausgewachsene Kuh hat zwölf Portionen Filet. Und dann sind noch 200 bis 250 Kilo Fleisch über, die auch noch verarbeitet werden müssen“, so Kogler. Bezogen wird das Fleisch bei regionalen Tiroler Produzenten und regionalen Schlachtern. Einer davon war (bisher) Thomas Leitner und seine Schlachtstelle in Wenns im Pitztal.
Und er wird es auch weiterhin bleiben. Denn die Übersiedelung des Fleischer-Ehepaares Leitner von Wenns nach Leutasch, ändert nichts am beruflichen Tun. Lediglich an der Marke Gut Leutasch wolle man nicht länger festhalten. Stattdessen heißt es „Klamm 80b Schlachthaus und Metzgerei“ mit Betonung auf dem Begriff Schlacht- haus. Denn das ist es, worauf man sich zum Start im September 2020 konzentrieren möchte. Die Lohnschlachterei für die regionalen Bauern und Jäger. „Die Corona-Krise hat erneut gezeigt, wie enorm wichtig eine regionale Anlaufstelle ist. Wir wollen in Leutasch für einen echten Neustart und regionale Kooperationen sorgen“, betonen Thomas Leitner und Michael Kogler im Gespräch mit Fleisch & Co.
Schlachterei & Direktvermarktung
Den Begriff „Schlachthaus“ verwende man im Firmennamen aber nicht nur wegen der Lohnschlachterei, sondern auch um für ein Bewusstsein für den regionalen Metzger und das Fleischerhandwerk zu sorgen. „Will man hochwertige regionale Fleischqualität, muss dazu auch das regionale Tier getötet werden. Da gibt es nichts zu verstecken. Uns geht es darum, dass die Konsumenten das wissen und auch begreifen, dass dazu ein Handwerk nötig ist. Denn nur ein gelernter Fleischer kann regional schlachten und so die Direktvermarktung unterstützen“, so Kogler.
Selbstverständlich wird im neuen Fleischerei- und Schlachtbetrieb auch Fleisch verarbeitet und für den Direktverkauf veredelt werden. Dabei will sich das Tiroler Quartett aber auf ausschließlich hochwertige Ware konzentrieren, bei der Qualität eindeutig vor Quantität gehe. Die Prämisse lautet: Alles wird verarbeitet. Faire Preise für faire Produkte. Beim Besuch von Fleisch & Co sind Geschäft, Theke und Schlachthaus noch leer. Dennoch macht sich der Eröffnungsstress bereits bemerkbar. Ein Experte von Bizerba ist anwesend und erläutert dem Quartett die Möglichkeiten für Etikettierung und Nachverfolgbarkeit auf den Verpackungen. Und schon steht der nächste Lieferant vor der Tür. Strasser Fleischereimaschinen liefert Maschinen für das Schlachthaus an. Im September 2020 geht es los. Mit Schlachtung, Verarbeitung und Veredelung, und schon bald werden sich auch die Regale und Fleisch- und Wursttheke im Geschäft in der Klamm 80b auch wieder füllen.
Das klassische Angebot
Nicht aber mit x Sorten an Wildsalami oder Ähnlichem (so wie beim Vorgänger), sondern es wird das klassische Angebot geben mit Fleischware, Würsten, Schinken und Fleischkäse. Aber eben nicht zehn Sorten Schinken, sondern einen hochwertigen Tiroler Schinken von Tiroler Schweinen. „Es gibt auch nicht x Salami-Sorten, son- dern diese eine, die aus Leutasch kommt“, sagt Thomas Leitner. Insgesamt wolle man die Neueröffnung lieber langsam angehen. „Es wird ein Slow-Opening sein. Es dauert, bis das Vieh von der Alm runter ist, bis geschlachtet wird und wir einigermaßen ein Sortiment haben.“ Klar abgesteckt sind aber die Geschäftsfelder. Neben der Lohnschlachtung für die Region kommt der Unterstützung der Direktvermarkter ein großer Stellenwert zu. Das wird in Form von (fixfertigen) Mischpaketen geschehen.
Regionaler Lieferkreis
Das heißt: Das Tier kommt in die Schlachtstelle Klamm 80b, wird dort geschlachtet und verarbeitet. Der Bauer bzw. Direktvermarkter bekommt die Edelteile im Haushaltsgrößen-Paket (ca. 5 Kilo) und kann diese Pakete mit Fleisch von Rind, Kalb oder Lamm oder auch Wild direkt weiterverkaufen. Ebenso wird es diese Mischpakete für den Endverbraucher geben. Erhältlich in der Fleischerei vor Ort. Angedacht ist, den regionalen Lieferkreis zu erweiterten, eventuell auch ein Lieferservice zu bieten. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Der bereits von den Leitners im Pitztal etablierte Blechmetzger bleibt weiterhin bestehen. In Leutasch kommt ein weiterer hinzu, gefüllt im Sommer beispielsweise mit Grillpaketen mit Teilen von Rind, Kalb und Lamm.
Profitieren soll die Klamm 80b auch von der gastronomischen Erfahrung der Mitgesellschafter Claudia und Michael Kogler. „Auch wir haben ein spannendes Netzwerk an Bauern und Direktvermarktern und Kontakte in die Gastronomie. Das werden wir in die Waagschale werfen. Zudem wissen wir, an welchen Fleischteilen Gastronomen interessiert sein könnten. Es muss nicht immer nur das Filet sein“, sagt Michael Kogler. Verstärkt ansprechen möchte man aber nicht nur die Gastronomie, sondern auch die Grill-Generation, die offen sei für neue Fleischteile und neue Cuts. Im Tourismusort Leutasch sei es auch vorstellbar, dass die Klamm 80b eine Heiße Theke bzw. Labestation für die zahlreichen Ausflügler, Wanderer und Radfahrer in das beliebte Gaistal werden könnte. „Das ist Learning by Doing. Wir werden sehen, wie sich alles entwickelt.“