Revolution in der Medizin: Wie Schlachtabfälle Leben retten und Tierversuche ersetzen könnten

Revolution in der Medizin: Wie Schlachtabfälle Leben retten und Tierversuche ersetzen könnten
Von der Schlachtbank ins Forschungslabor
Normalerweise endet die Lunge geschlachteter Schweine als Tierfutter oder wird entsorgt. Doch in Saarbrücken hat man einen anderen Weg eingeschlagen: Zwei interdisziplinäre Teams aus Medizin und Ingenieurwissenschaften an der Universität des Saarlandes nutzen diese „Schlachtabfälle“, um ein praxistaugliches und hoch aussagekräftiges Lungenmodell zu entwickeln.
Die Forschenden schaffen es, die Organe in einem speziellen Labor bis zu 24 Stunden stabil zu halten – eine weltweite Premiere. Beatmung und Durchblutung mit Schweineblut sorgen dafür, dass die Lungen wie im lebenden Organismus funktionieren. Medikamente lassen sich so unter realistischen Bedingungen testen, ohne dass lebende Tiere dafür eingesetzt werden müssen.
Gassensoren als Hightech-Sinnesorgane
Eine der größten Herausforderungen ist die Analyse der Ausatemluft. „Die Ausatemluft besteht aus einem Cocktail an vielen verschiedenen gasförmigen Stoffen, von Kohlendioxid über Stickstoff bis hin zu kleinsten Spuren individueller Substanzen“, erklärt Christian Bur, Ingenieur an der Saar-Universität. Er forscht an neuartigen Gassensorsystemen, die flüchtige organische Verbindungen in winzigen Konzentrationen erfassen.
Diese Sensoren arbeiten auf Metalloxid-Basis und messen kontinuierlich die Konzentration einzelner Substanzen. „So können wir exakt nachvollziehen, welche Mengen in einem bestimmten Zeitraum abgeatmet werden“, sagt Bur. Für die Medizinforschung bedeutet das: Medikamente lassen sich unter nahezu klinischen Bedingungen erproben – mit einer Genauigkeit, die Tierversuche oft nicht leisten können.
Politische Rückendeckung aus dem Saarland
Die saarländische Landesregierung fördert die Entwicklung und hat das Projekt bereits mehrfach ausgezeichnet. Es ist Teil der „3R-Plattform Saar“, die sich der Vermeidung, Verminderung und Verbesserung von Tierversuchen verschrieben hat. Für die Fleischwirtschaft ergibt sich daraus ein bemerkenswerter Aspekt: Was früher als Abfall galt, wird durch innovative Forschung zu einem wertvollen Rohstoff für die Gesundheit.
Schweine als stille Lebensretter
Die Innovation in Saarbrücken ist kein Einzelfall. Schon heute sind zahlreiche medizinische Therapien ohne tierische Nebenprodukte undenkbar:
- Verdauungsenzyme: Pankreatin aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen hilft Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose oder nach Bauchspeicheldrüsen-OPs, Nährstoffe aufzunehmen.
- Herzklappen: Bioprothesen aus Schweineherzen retten seit Jahrzehnten das Leben von Menschen mit Herzklappenfehlern.
- Kollagen: Aus Schweinehaut gewonnenes Kollagen beschleunigt die Wundheilung und dient als Trägermaterial für Medikamente.
Diese Anwendungen zeigen, dass die Fleischwirtschaft nicht nur Lebensmittel produziert, sondern auch unverzichtbare Rohstoffe für die Medizin bereitstellt.
Fleischwirtschaft als Partner der Medizin
Die Forschung im Saarland zeigt beispielhaft, wie Schlachtnebenprodukte zum Schlüssel für Innovationen werden. Schweinelungen, die sonst entsorgt würden, sind plötzlich der Wegbereiter für eine ethischere und genauere Forschung. Enzyme, Herzklappen oder Kollagen aus der Fleischwirtschaft retten schon heute tagtäglich Leben. Die Botschaft ist klar: Fleisch ist weit mehr als Nahrung. Es ist ein elementarer Bestandteil einer Gesundheitswirtschaft, die ohne die Beiträge aus der Tierverarbeitung kaum denkbar wäre.
Autorin: Tanja Braune