
Fleischerei und Gastronomie sind keine Gegenspieler, sondern Partner auf Augenhöhe. Der eine kann nicht ohne den anderen. Dass Vertrauen, Transparenz und gemeinsame Werte dabei weit mehr zählen als bloße Warenlieferung, zeigen Roman Thum – besser bekannt als der „Schinkenpapst“ – und Christian Werner, Wirt im Wiener Gasthaus Stern.
Der Schinkenpapst: Handwerk mit Haltung
„Der Kunde kauft heute bewusster – oft Bio. Das Thema Tierwohl müsste überhaupt viel mehr in den Fokus“, sagt Roman Thum ohne Umschweife. Für den mehrfach ausgezeichneten Fleischermeister steht fest: Wer Qualität will, muss auch bereit sein, den wahren Preis zu zahlen. „Dann wird’s halt teurer. Aber so billig, wie viele es erwarten, darf gutes Fleisch einfach nicht sein.“
Thum plädiert für strengere gesetzliche Standards in der Tierhaltung. Ihm geht es nicht um Marketingbegriffe, sondern um Haltung im wörtlichen Sinn: „Es kann nicht sein, dass Tiere unter katastrophalen Bedingungen leben. Das ist ein No-Go.“ Seine Lösung: Transparenz und handwerkliche Konsequenz.
Der legendäre Thum-Beinschinken: Herkunft & Handarbeit
Besonders bekannt ist Thum für seinen legendären Beinschinken – handgeschnitten, gereift und mit Bedacht gewürzt. Ein Produkt, das besonders zu Ostern und Weihnachten reißenden Absatz findet. „Das Geheimnis? Gibt’s keines“, lacht er. „Wir produzieren nach Prager Art, lassen die Struktur so, wie sie gewachsen ist. Jedes Stück ist anders – und das ist auch gut so.“
Die Gewürzmischungen mischt Thum selbst. Auf industrielle Standardisierung verzichtet er bewusst. „Der Kunde akzeptiert beim Geschmack eine gewisse Schwankungsbreite – wie bei einem guten Wein.“ Und tatsächlich: Auch bei Wein kennt sich Thum aus, genießt gern. Aber das ist eine andere Geschichte.
Fleisch aus dem Weinviertel & Bio vom Sonnberghof
Die Basis seiner Produkte ist das Fleisch: Konventionelle Ware kommt ausschließlich aus dem Weinviertel – fast ausschließlich von Strohschweinen. Entscheidend ist für Thum das intramuskuläre Fett, das seinen Schinken besonders geschmeidig macht. Rund 60 Prozent seines Sortiments ist bereits Bio, darunter Keulen von Mangalitza-Schweinen vom renommierten Sonnberghof.
Supermärkte beliefert Thum nicht. „Früher bin ich Klinkenputzen gegangen. Heute kommen die Kunden zu uns. Wir könnten gar nicht für den LEH produzieren, ohne bei der Qualität Abstriche zu machen.“ Seine Kunden sind handverlesen – darunter viele Spitzenbetriebe. Manche davon, wie Christian Werner, sind ihm längst zu Freunden geworden.
Ein Wirt mit Haltung: Christian Werner und das Gasthaus Stern
Christian Werner ist ein echtes Wiener Gastro-Gewächs – aufgewachsen im Wirtshaus der Eltern in der Nähe von St. Marx, wo früher auch ein Schlachthof stand. Schon als Kind begleitete er seinen Vater zu Bauern und Lieferanten. Auch auf der Pirsch war er früh dabei – eine Leidenschaft, die ihm bis heute geblieben ist.
Eigentlich wollte er Architekt werden. Doch sein Vater bestand auf einem Abschlussjahr an der GAFA (Gastronomiefachschule). Und die wurde ihm zum Verhängnis – im besten Sinne: „Dort unterrichteten Größen wie Helmut Deutsch und Franz Zodl. Danach war mir klar, dass ich in der Gastronomie bleibe.“
Heute betreibt Werner das Gasthaus Stern in Wien-Simmering – ein Ort, an dem Herkunft, Handwerk und Qualität großgeschrieben werden. Vor Kurzem holte er sich Peter Zinter als Küchenchef ins Boot, um sich stärker auf den Gast, den Wein und den Service konzentrieren zu können.
Handwerk, Jagd & Genuss: Ein kulinarisches Trio
Peter Zinter ist in der Szene kein Unbekannter – schon im Vincent, bei Heunisch & Erben oder im Brickmaker’süberzeugte er mit seiner Mischung aus Bodenständigkeit und Raffinesse. Auch er ist passionierter Jäger – wie Werner und Thum. Die drei verbindet weit mehr als bloß Geschäft: gemeinsame Werte, gemeinsame Jagden – und ein gemeinsamer Anspruch an Qualität.
Im Gasthaus Stern wird so manches selbst gemacht: Leberknödel, Wildleberkäse, Blut- und Leberwurst stammen aus eigener Produktion. „Meine Eltern verkauften früher ihre Würste über die Straße – das war mein erster Job als Kind“, erinnert sich Werner. Heute macht er’s wieder – aber mit noch mehr Anspruch.
Beinschinken, Surschnitzerl & Wild-Innereien
Auch auf der Speisekarte liest sich Thums Handschrift deutlich: Cordon bleu mit Beinschinken vom Tullnerfelder Schwein, gebratene Eierschwammerln mit Schinken, Pfefferoni-Kimchi oder Schopfbraten und Fledermaus vom Thum. Daneben finden sich Produkte vom Höllerschmid. Alles mit Herkunftsnachweis – „steht selbstverständlich auf der Karte“, so Werner.
Wild kommt im Gasthaus Stern nur aus eigener Jagd oder von befreundeten Jägern auf den Teller. Selbst bei heiklen Produkten wie Wild-Tatar oder Wild-Innereien wird auf höchste Hygiene geachtet. Werner ist da kompromisslos – und demonstriert das mit einem frischen Beschaubescheid in der Hand. In der anderen: eine Flasche Krutzler Perwolff, Jahrgang 2000.
Fazit: Eine Partnerschaft, die Maßstäbe setzt
Was Roman Thum und Christian Werner verbindet, geht weit über den reinen Warenaustausch hinaus. Es ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, getragen von Vertrauen, Qualität und einem tiefen Respekt für das Handwerk. Wer im Gasthaus Stern einkehrt, schmeckt das – im Beinschinken, im Wild-Tatar, im Wein. Oder wie Thum es auf den Punkt bringt: „Dann wird’s halt teurer – aber besser.“
Autor: Marko Locatin