Fleisch und Lebensmittelrecht 2025: SAICON & Quality Austria setzen neue Akzente

Fleisch und Lebensmittelrecht 2025: SAICON & Quality Austria setzen neue Akzente
Am 9. Oktober 2025 fanden sich Experten im Wiener Ares Tower zur Konferenz „Lebensmittel.Recht.Aktuell“ ein, die von SAICON und Quality Austria organisiert wurde. Im Mittelpunkt standen die aktuellen Entwicklungen im Lebensmittelrecht, insbesondere in Bezug auf Fleischprodukte. Die Veranstaltung wurde von Andreas Schmölzer, einem anerkannten Sachverständigen von SAICON consulting, moderiert. Sie bot eine Plattform für Vertreter der Lebensmittelbranche, Behörden, Prüfinstitute, Ministerien und Justiz, um die Vergangenheit und zukünftigen Herausforderungen zu erörtern.
Neue Entwicklungen in der Fleischüberwachung
Ulrich Busch, Experte vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Bayern, leitete die Diskussion mit einem Überblick über die Herausforderungen der amtlichen Überwachung ein. Ein neuer Schwerpunkt war die Echtheitskontrolle von Fleischprodukten wie Waldheidelbeeren mittels genetischer Fingerabdrücke. Beunruhigend war die Feststellung, dass knapp die Hälfte der Proben als gefälscht identifiziert wurde. Auch das Trendprodukt „Dubai-Schokolade“ wurde untersucht, wobei es zu einer Beanstandungsquote von 100 Prozent kam, was auf erhebliche Mängel in der Kennzeichnung und der Sicherheit der Produkte hinwies.
In der laufenden Überwachung standen illegale, als Lebensmittel getarnte Potenzmittel an erster Stelle der gesundheitsschädlichen Produkte, gefolgt von Fremdkörpern, Insektiziden in Trauben und Fliegenpilzgift in Gummibonbons. Besonders besorgniserregend waren die Ergebnisse in der Mikrobiologie, wo Salmonellen und EHEC (besonders gefährliche E. coli-Bakterien) an der Spitze standen. Diese Erreger stehen derzeit in Deutschland im Fokus aufgrund eines Ausbruchs von Erkrankungen, dessen Ursache aufgrund der langen Inkubationszeit noch unklar ist. Besonders betroffen sind Kinder, die teilweise schwer erkranken. Die Rückverfolgung gestaltet sich schwierig, da keine verlässlichen Angaben zu Mahlzeiten gemacht werden können, die mehrere Tage zurückliegen.
Österreichs Umgang mit Analysebefunden bei Fleisch
Andreas Schmölzer beleuchtete den Umgang Österreichs mit grenzwertigen Pestizidbefunden bei Bio-Produkten und Fleisch, den er als problematisches „Gold-Plating“ bezeichnete. Während auf EU-Ebene die einheitliche Anwendung einer „erweiterten Messunsicherheit“ vereinbart wurde, wird dies in Österreich bei Bio-Produkten und Fleisch meist nicht umgesetzt. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre hier dringend erforderlich, insbesondere da solche Praktiken bei diversen Kontaminanten bereits in Verordnungen verankert sind.
Mikrobiologie und Fleisch: Freund und Feind
Den Schwerpunkt zur Mikrobiologie eröffnete Prof. Martin Wagner von der Veterinärmedizinischen Universität Wien mit einem Überblick zur Entwicklung der häufigsten pathogenen Keime. Diese sind noch immer die Hauptursache für folgenreiche, lebensmittelbedingte Erkrankungen. Für Dänemark mit 5,8 Millionen Einwohnern wurde beispielsweise eine auf bakterielle Lebensmittelinfektionen zurückzuführende Schadenssumme von 434 Millionen Euro pro Jahr ermittelt. Hauptquelle für Salmonellen, Campylobacter und EHEC sind nach wie vor tierische Lebensmittel, auch wenn die Zahlen insgesamt um 90 Prozent in 15 Jahren zurückgegangen sind. Unterschätzt werden jedoch die Auswirkungen des Klimawandels auf pathogene Keime, da diese davon profitieren.
Auch die stark propagierten Fleisch-Ersatzprodukte zeigen neue mikrobiologische Risiken, die noch nicht ausreichend wahrgenommen werden. Daneben ist das Hauptproblem die Zögerlichkeit des Konsumenten zu Verhaltensänderungen – ohne entsprechende Hygienemaßnahmen im Haushalt wird man Lebensmittelinfektionen nicht beherrschen können. Hier zeigen sich die aktuellen Informationsrouten trotz neuer Medien als nicht erfolgreich. Dies führt insbesondere bei Campylobacter mangels anderer Beherrschungsmöglichkeiten zu einem rasanten Anstieg der Fallzahlen.
Seuchenresilienz in der Fleischbranche
Der letzte Schwerpunkt der Konferenz galt der Seuchenbekämpfung in Österreich. Florian Fellinger vom zuständigen Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz berichtete über die aktuelle Seuchenlage in Österreich und Europa. Hier ist eine klimawandelbedingte Verschiebung zu beobachten, da zunehmend insektenübertragene Tierseuchen an Bedeutung gewinnen. Die Fälle von Maul- und Klauenseuche (MKS) im Frühjahr dieses Jahres haben gezeigt, wie rasch sich eine Region zum Krisengebiet entwickeln kann. Die Krisenpläne haben durch diesen „Echtfall“ Schwächen offenbart, die nun beseitigt werden. Als Hauptlektion wurde das Thema Kommunikation wahrgenommen, da die fachliche Information aller beteiligten Kreise einschließlich Unternehmen Lücken gezeigt hat.
Dies wurde auch von Geschäftsführer Gernot Rumpold und Qualitätsmanager Peter Bercek von GeRu Meat bestätigt, da man in der Krise ständig auf der Suche nach Informationen gewesen sei. Werner Pail von Steirerfleisch machte auf die internationalen Auswirkungen von Seuchenfällen aufmerksam. Im Exporthandel ist man den mitunter willkürlichen Entscheidungen der Zielländer ausgesetzt, was zu unternehmensbedrohlichen Situationen führen kann. Wesentlich ist jedenfalls eine detaillierte und stichhaltige Rückverfolgbarkeit, um im Ernstfall glaubhafte Abgrenzungen vornehmen zu können. Wie aus dem Ministerium zu hören war, setzt man auf intensive Ernstfall-Übungen mit allen Stakeholdern, um sich insgesamt für die nächste zu erwartende Seuche besser aufzustellen.
Weitere Entwicklungen
Interessant ist auch die Entwicklung bei der Kennzeichnung von Getränken, bei denen sich die Kaltpasteurisation oft in der Zutatenliste wiederfindet. Dies basiert auf einer Auslegung, die von Verarbeitungshilfsstoff zu Konservierungsmittel gewechselt ist. Auch der Begriff des Zusatzstoffs wurde von einem österreichischen Landesverwaltungsgericht bei Acerolasaftpulver in Wurstprodukten neu interpretiert, was als unerlaubte Anwendung aufgrund fehlender Tradition beurteilt wurde – ein Rückgriff auf eine nostalgische Vergangenheit. Dass Fruchtsaftpulver auf EU-Ebene als Lebensmittel geregelt ist, wurde dabei außer Acht gelassen.
Bei der Deklaration von Allergenspuren setzen die Niederlande zum Jahreswechsel neue Maßstäbe. Die Spurenangabe wird dabei stark auf Fälle eingeschränkt, bei denen eine Überschreitung der inzwischen global synchronisierten Schwellenwerte (WHO, ALTS, VITAL) nachgewiesen werden kann. Es ist zu erwarten, dass diese sinnvolle Neuauslegung in ganz Europa übernommen wird. Zuletzt wurde die „relative Mogelpackung“ am Beispiel eines österreichischen Gerichtsentscheids zu einer Füllmengenreduktion bei Tiefkühl-Fisch thematisiert. Damit soll der „Shrinkflation“ Einhalt geboten werden, was jedoch zahlreiche Fragestellungen zur täuschungsfreien Artikeländerung für Hersteller aufwirft.
Nachhaltigkeit in der Fleischproduktion
Den Schwerpunkt Nachhaltigkeit eröffnete Josef Baumüller von der TU Wien mit einem Überblick zur aktuellen Entwicklung des Klimawandels und den rechtlichen Aktivitäten der EU. Er erklärte den überraschenden Satz „Buchhalter retten die Welt“ mit dem inzwischen weltweit erfolgreichen Ansatz, Finanzströme über Nachhaltigkeitsberichterstattung zu zukunftsorientierten Technologien zu lenken. Dieses Prinzip ist sogar in China gesetzlich verankert – Klimaschutz ist keine exklusive Idee der EU. Er zeigte plastisch auf, dass diese Aktivitäten insbesondere einem ökonomischen Interesse folgen – denn Klimawandel vernichtet viel Kapital.
Mit dem EU-Omnibus wurden jedoch einige Maßnahmen verschoben und „Erleichterungen“ geschaffen. So wurde der Kreis der nach CSRD-berichtspflichtigen Unternehmen durch Skalierungsänderungen drastisch eingeschränkt. Daneben wurde mit dem VSME-Standard eine einfache, freiwillige Berichtsschablone für nicht berichtspflichtige KMU geschaffen, die sich vollständig in der CSRD abbildet. Alexander Saxenhuber vom Consultingunternehmen Sustainable erläuterte, dass VSME eine sinnvolle Möglichkeit für KMU im Fleischsektor darstellt, um in standardisierter Form (ohne individuelle Fragebögen) nötige Informationen an CSRD-pflichtige Unternehmen zu liefern. Eine einheitliche Vorgehensweise mit VSME im Fleischsektor könnte den Umsetzungsaufwand und damit auch die Kosten beschränkt halten. Bei individuellen Lösungen ist hingegen mit einem laufenden Personalaufwand im Ausmaß von 2-3 Personen je KMU zu rechnen.
Dass die administrativen Aufwendungen ohnehin laufend steigen, demonstrierte Stephan Savic von AGRANA anhand der neuen PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation). Bereits ab dem 12. August 2026 gilt ein PFAS-Verbot für Verpackungen, dessen Einhaltung mit einer Konformitätserklärung für jedes einzelne verpackte Lebensmittel zu bestätigen ist. Schrittweise geht es dann bis 2030 weiter mit Recyclierbarkeit und deren Kennzeichnung, Recyclinganteilvorgaben, Restriktionen bei der Werbung, Beschränkung von Leervolumen und Abschaffung von Gastro-Kleinpackungen aus Kunststoff.