
Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
„Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich nur noch Besserverdiener gesunde Lebensmittel aus dem Biomarkt leisten können.“ Mit dieser Aussage werden Sie in vielen lokalen und überregionalen Medien vom letzten Wochenende, wie zum Beispiel der Süddeutschen Zeitung vom 12. April 2013, zitiert. Ist das nun ein Kotau vor Ihrem Wunschkoaltionspartner oder gar Ihre persönliche Überzeugung? Wollen Sie tatsächlich wenigstens implizit die Behauptung aufstellen, nur im „Biomarkt“ könne man sich „gesund“ ernähren? Der Umkehrschluss dazu wäre, dass, wer nicht im „Biomarkt“ kaufen kann, sich zwangsläufig ungesund ernähren muss.
Haben sie schon einmal Fleisch oder Wurst bei einer familiär geführten, handwerklichen Metzgerei, oder Fleischerei, wie es bei Ihnen heißt, gekauft? Und dabei Sorge um Ihre Gesundheit gehabt? Als Landesinnungsverband der handwerklich arbeitenden Metzger in Bayern alarmieren uns solche Aussagen in höchstem Maße. In Bayern arbeiten ca. 4.000 Handwerksmetzgereien täglich mit großer Mühe daran, hochwertigste und (!) gesunde Lebensmittel herzustellen.
Regionalität, Rückverfolgbarkeit, Nachhaltigkeit und Ursprünglichkeit sind die Ziele unserer Betriebe. Der Metzgermeister trägt dafür die persönliche und unmittelbare Verantwortung gegenüber seinem im Laden stehenden Kunden und versteckt sich nicht hinter irgendwelchen Firmenlabels einer anonymen Produktion! Den Kundenwünschen entsprechend nimmt natürlich auch der Anteil der Bioware kontinuierlich zu. „Gesunde“ Bioware gibt es also auch beim Metzger um die Ecke. Allerdings nicht zu Discountpreisen, sondern preis„wert“!
Vor allem die Bezeichnung „Markt“ lässt den Schluss zu, dass Sie und Ihre Partei den Verkauf von Lebensmitteln über große Einzelhandelsketten auf der grünen Wiese bevorzugen. Das ist das Gegenteil von Kundenorientierung und Nachhaltigkeit. In vielen Dörfern und kleinen Gemeinden, nicht nur Bayerns, sondern auch Deutschlands, das kann ich Ihnen auch als Vizepräsident des Deutschen Fleischerverbandes versichern, haben alteingesessene Fleischereien schon aufgegeben. Dort gibt es für Fleisch und Wurst keine Nahversorgung mehr. Dafür aber die großen Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese außerhalb der Gemeindestruktur. Wer nicht jung und mobil ist, hat eben Pech!
Ins Bild passt hier auch Ihre Forderung nach einer europäischen Lebensmittelpolizei. Das klingt zunächst gut und politisch höchst korrekt. Auf der anderen Seite lässt diese Forderung vermuten, dass Sie die Vermarktung von Lebensmitteln auf europäischer Ebene unterstützen. In unseren Augen wäre es dagegen sinnvoll, die regionale Wertschöpfungskette in Deutschland zu intensivieren, Fördermöglichkeiten zu schaffen und damit handwerkliche Lebensmittelproduzenten zu stärken. Hier würde auch der in Deutschland seit jeher auf hohem Niveau arbeitende Verbraucherschutz zur Geltung kommen, und falsch deklariertes Fleisch aus industrieller Produktion wäre weit schwerer zu vermarkten.
Es ist bedauerlich, dass es den so traditionsbewussten Sozialdemokraten offensichtlich neuerdings nicht mehr genügt, jedem vermeintlichen Trend hinterherzulaufen, sondern ihn sogar noch überholen wollen. Damit ehrbares und ebenso traditionsbewusstes Handwerk im besten Sinn durch den Rost fallen zu lassen, wird scheinbar als Kollateralschaden in Kauf genommen.
Schade!
Mit freundlichen Grüßen
Georg Schlagbauer
Landesinnungsmeister des Bayerischen Fleischerverbandes