Die Zeiten ändern sich, die Digitalisierung lässt kaum einen Stein auf dem anderen und lebt von Skalierung – dem Mechanismus, Effizienz durch Multiplikatoreffekte zu erreichen. Es liegt auf der Hand, dass traditionelle Geschäftsformate dabei strukturell ins Hintertreffen geraten sind und es neue Rahmenbedingungen braucht, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Die Regulierungsdichte in Österreich fördert jedoch die Benachteiligung von beschäftigungsintensiven Unternehmen, insbesondere, wenn diese über mehrere Gemeinden und Bundesländer hinweg tätig sind.
Regelungsdickicht
Ein aktuelles Beispiel:Grundsätzlich dürfen Geschäfte an Sonntagen in Österreich nicht öffnen.Dass es eindeutigen Bedarf gibt, zeigen jedoch mehr als 60 Ausnahme-Regelungen auf Bundes- und Länderebene. Um hier den Durchblick zu bewahren, müssen heimische Handelsunternehmen unzählige landesrechtliche Einzelverordnungen durchforsten. Beim Durchstöbern stößt man auch auf die eine oder andere nicht ganz nachvollziehbare Regelung:
- In Oberösterreich dürfen beispielsweise an Sonn- und Feiertagen von 8.00 Uhr bis 12.00 Waren des täglichen Bedarfes in Gemeinden mit weniger als 3.500 Einwohnern verkauft werden.Und was ist mit den Einzelhändlern in größeren Gemeinden? Die dürfen nicht aufsperren, außer sie befinden sich in einem Kurort oder einem Fremdenverkehrsgebiet.
- Oder es findet gerade eine Firmung statt – denn in Firmungsorten dürfen an Sonn- und Feiertagen ebenfalls Reise- und Ausflugsbedarfsartikel sowie Firmungsgeschenke verkauft werden. Aber:Linz, Wels und Steyr gelten nicht als Firmungsorte.
“Dieses Beispiel zeigt, dass die Sonntagsöffnungsregelungen dringend entrümpelt, vereinfacht und auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden müssen. 60 Ausnahmeregelungen sind einfach zu viel, der Bürokratie-Dschungel hemmt unsere Wirtschaftskraft”, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Wien hat geschlossen
Die Bundeshauptstadt, Touristen-Magnet Nummer 1, der bundesweit mit Abstand am meisten Touristen anzieht, versagt ebendiesen seit Jahren ein Angebot am Sonntag, das es ermöglichen würde, die vorwiegend ausländische Kaufkraft in Umsätze und damit Arbeitsplätze und Steuereinnahmen umzuwandeln.
Alleine im ersten Halbjahr 2019 verzeichnete die Bundeshauptstadt bei den Nächtigungen einen neuen Rekordwert von 7,94 Millionen (+9,9% im Vergleich zum Vorjahr). Angesichts der Jahr für Jahr steigenden Besucherzahlen empfiehlt der Handelsverband einmal mehr die Einführung von Tourismuszonen, an denen Geschäfte auch am Sonntag offen haben dürfen. Verschiedene Konzepte wurden bereits präsentiert – unter der Berücksichtigung eines möglichst überschaubaren Mitarbeitereinsatzes. Auch die österreichische Hoteliervereinigung, die die Besucherzahlen am besten kennt, hat sich wiederholt für eine Öffnung ausgesprochen.
“Wir wollen selbstverständlich keine generelle, flächendeckende Sonntagsöffnung. Jedoch verlieren wir täglich Besucher, die am Sonntag nach Museumsbesuchen völlig entgeistert vor geschlossenen Geschäften in der Wiener City stehen, an die 50 km entfernte Metropole Bratislava, wo man bequem shoppen kann. Ganze Reiseprogramme haben sich nach Kleinhaugsdorf entwickelt, wo man nach der tschechischen Grenze seit Jahren strukturiert Kaufkraft abschöpft. Wir sprechen schon von Jahrzehnten des Stillstandes in dieser Frage”, bestätigt Rainer Will.
“Jetzt gemeinsam HANDEL[N]”heißt auch die Bürokratiebremse ziehen. Der Handelsverband wird hierzu weiter Empfehlungen aus der Praxis an die politischen Entscheidungsträger geben.