Kreatin: Warum Fleisch mehr kann als nur satt machen

Kreatin: Warum Fleisch mehr kann als nur satt machen
Kreatin – für viele klingt das nach Fitnessstudio und Muskelpaketen. Doch die Substanz, die seit fast 200 Jahren bekannt ist, ist viel mehr als ein Hilfsmittel für Kraftsportler. Im Podcast „staYoung – Der Longevity-Podcast“ spricht Professor em. Theo Wallimann, langjähriger Zellbiologe an der ETH Zürich, über die unterschätzte Bedeutung von Kreatin für Stoffwechsel, Gehirnleistung und gesundes Altern.
Der Energiespeicher für Körper und Geist
Kreatin fungiert im menschlichen Organismus als eine Art Kurzzeit-Batterie: Es steht sofort für hohe Energiebedarfe zur Verfügung – sei es im Sprint, beim Heben schwerer Lasten oder auch bei kognitiver Spitzenleistung. Pro Tag verliert der Körper rund zwei Gramm Kreatin, die ersetzt werden müssen. Etwa die Hälfte davon produziert er selbst in Leber und Nieren. Die andere Hälfte muss über die Nahrung aufgenommen werden.
„Um die Speicher wirklich aufzufüllen, wären täglich 200 bis 300 Gramm Fleisch oder Fisch nötig“, erklärt Wallimann. Im Durchschnitt liegt der Konsum etwa bei 140 Gramm Fleisch – das entspricht nur 0,7 Gramm Kreatin. Milchprodukte tragen ebenfalls etwas bei, reichen aber nicht aus, um das Defizit vollständig auszugleichen.
Vegane Ernährung: möglich, aber limitiert
Ein besonders spannender Punkt in der Diskussion: Vegetarier und Veganer. Zwar können sie durch die körpereigene Synthese etwa die Hälfte des Bedarfs decken, dennoch bleiben die Speicher geringer gefüllt. „Es gibt praktisch keine veganen Sportler, die im Kraft- oder Sprintsport Weltklasseleistungen bringen“, sagt Wallimann. Denn genau dort, wo maximale Energie abrufbar sein muss, macht sich der Unterschied bemerkbar.
Im Alltag sind die Auswirkungen subtiler. Doch auch für Berufstätige oder ältere Menschen könne Kreatin entscheidend sein: für Regeneration, Muskelkraft und kognitive Funktionen.
Mehr als ein Supplement für Bodybuilder
Lange Zeit galt Kreatin als Hilfsmittel für Muskelprotze – ein Image, das der seriösen Forschung geschadet hat. Inzwischen ist die Substanz jedoch von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als Nahrungsergänzungsmittel anerkannt. Neue Studien deuten auf ein breites Potenzial hin: von der Rehabilitation über die Prävention altersbedingter Schwäche bis hin zur Unterstützung von Menschen mit Erkrankungen.
Fleisch bleibt eine Schlüsselquelle
So sehr Nahrungsergänzungsmittel Kreatin liefern können – Wallimann betont im Podcast, dass Fleisch und Fisch die natürlichen Hauptlieferanten bleiben. Wer komplett auf tierische Produkte verzichtet, lebt zwar nicht automatisch in einem klinischen Mangelzustand, schöpft aber auch nicht die volle Energie- und Leistungsfähigkeit aus, die Kreatin ermöglicht.