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EU vereinfacht Nachhaltigkeitsberichtspflichten: Entlastung für große Teile der Wirtschaft

Die EU verschärft ihren Kurs beim Bürokratieabbau: Neue Schwellenwerte sollen tausende österreichische Betriebe von den komplexen Nachhaltigkeits- und Lieferkettenpflichten entlasten. Das Parlament hebt zentrale Berichtspflichten an, reduziert Datenanforderungen und schützt KMU vor Trickle-Down-Effekten. Österreichische Wirtschaftsvertreter begrüßen die Reform als wichtigen Schritt für Wettbewerbsfähigkeit und Standortstärkung.

Die EU verschärft ihren Kurs beim Bürokratieabbau: Neue Schwellenwerte sollen tausende österreichische Betriebe von den komplexen Nachhaltigkeits- und Lieferkettenpflichten entlasten. Das Parlament hebt zentrale Berichtspflichten an, reduziert Datenanforderungen und schützt KMU vor Trickle-Down-Effekten. Österreichische Wirtschaftsvertreter begrüßen die Reform als wichtigen Schritt für Wettbewerbsfähigkeit und Standortstärkung.
Das Europäische Parlament in Brüssel: Hier werden die zentralen Weichen für Europas Nachhaltigkeits-, Klima- und Lebensmittelpolitik gestellt. Bild: Pixabay

EU vereinfacht Nachhaltigkeitsberichtspflichten: Entlastung für große Teile der Wirtschaft

Die Europäische Union schlägt eine neue Richtung ein: Das EU-Parlament hat seine Position zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und der Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette (CSDDD) beschlossen. Beide Regelwerke sollen künftig nur noch die größten Unternehmen erfassen, während kleine und mittlere Betriebe weitgehend ausgenommen bleiben. Die Abstimmung fiel mit 382 Ja-Stimmen, 249 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen klar aus.

Für Österreichs Wirtschaft – und insbesondere für den Mittelstand – bedeutet die Reform eine spürbare Entlastung. Die heimischen Wirtschaftskammern hatten in den vergangenen Monaten wiederholt auf die überbordende Komplexität der Berichtspflichten hingewiesen.

Bettcher Trimming
Bettcher Trimming

Höhere Schwellenwerte, weniger Berichtslast

Künftig sollen nur Unternehmen berichtspflichtig sein, die durchschnittlich mehr als 1.750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und einen Jahresnettoumsatz von über 450 Millionen Euro erzielen. Damit würde ein Großteil der bisher vorgesehenen Unternehmen aus der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung herausfallen.
„Dass die Schwellenwerte nun fokussiert wurden, ist eine Entlastung für tausende KMU“, betont Wirtschaftskammer-Präsident Jürgen Mandl. Die ursprünglichen Pläne hätten viele kleinere Betriebe getroffen, die weder die personellen noch die finanziellen Mittel für komplexe Berichtsprozesse hätten. Besonders positiv bewertet Mandl, dass börsennotierte KMU weitgehend ausgenommen bleiben.

Auch das EU-Parlament hebt die Notwendigkeit realistisch gestalteter Standards hervor. Der Berichterstatter des Rechtsausschusses, Jörgen Warborn (EVP, Schweden), sagt: „Die heutige Abstimmung zeigt, dass Europa sowohl nachhaltig als auch wettbewerbsfähig sein kann. Wir vereinfachen Regeln, senken Kosten und geben den Unternehmen die Klarheit, die sie brauchen, um zu wachsen, zu investieren und gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen.“
Die angekündigte Überarbeitung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) soll die Zahl der Datenpunkte weiter reduzieren und qualitative Textteile entschlacken. Branchenspezifische Zusatzstandards sollen künftig freiwillig sein.

Schutz kleiner Betriebe vor „Trickle-Down“-Effekten

Ein zentraler Punkt betrifft die Wertschöpfungskette. Große Unternehmen dürfen künftig keine zusätzlichen Informationen von kleineren Geschäftspartnern verlangen, die über die freiwilligen KMU-Standards hinausgehen. Damit soll verhindert werden, dass Berichtspflichten indirekt bei kleinen Fleischereien, Zulieferern oder regionalen Lebensmittelbetrieben landen.
Dieser Schutz wird in der Wirtschaft begrüßt – auch in Österreichs Lebensmittelhandwerk, das vielfach mit größeren Handelsketten, Logistikpartnern oder internationalen Unternehmen zusammenarbeitet.

Lieferkettengesetz wird deutlich eingeschränkt

Auch bei den Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette setzt die EU nun auf deutliche Beschränkungen. Die CSDDD soll künftig nur für Unternehmen gelten, die mehr als 5.000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von über 1,5 Milliarden Euro erzielen.

Damit bleiben nahezu alle österreichischen Betriebe – selbst große Industrieunternehmen – außerhalb des Anwendungsbereichs. Vorgesehen ist außerdem ein risikobasierter Ansatz, der die Unternehmen verpflichtet, sich auf jene Bereiche zu konzentrieren, in denen Risiken für Menschenrechte und Umwelt tatsächlich relevant sind. Systematische Datenabfragen bei kleinen Lieferanten sollen entfallen; Informationen sollen primär aus bereits verfügbaren Quellen stammen.

Besonders umstritten war die Pflicht, einen Übergangsplan für die Vereinbarkeit des Geschäftsmodells mit dem Pariser Klimaabkommen vorzulegen. Diese Vorgabe soll vollständig gestrichen werden.
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) unterstützt die neue Richtung deutlich: „Die geplanten Anpassungen stärken die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und bauen bürokratische Hürden ab“, heißt es in der Aussendung vom 14. November.

Österreichs Perspektive: Standortstärkung durch Bürokratieabbau

Für Österreichs Wirtschaftsstandort sieht Mandl die Entwicklungen positiv:
„Unser Ziel bleibt klar: Weniger Bürokratie, mehr unternehmerische Freiheit und ein Fokus auf jene Maßnahmen, die wirklich Wirkung zeigen.“
Im Kärntner Wirtschaftsumfeld, wo viele exportorientierte mittelständische Betriebe tätig sind, wird die Entscheidung als Schritt zur Standortsicherung gewertet. Für kleine Handwerksbetriebe – darunter auch Fleischereien, Verarbeitungsbetriebe und regionale Produzenten – bedeutet die Reform vor allem eines: weniger Verwaltungsaufwand.

Digitaler Zugangspunkt für alle EU-Berichtspflichten

Ein neues digitales EU-Portal soll Unternehmen künftig kostenlosen Zugang zu Vorlagen, Leitlinien und Informationen über alle Berichtspflichten bieten. Dieses Portal ergänzt den bereits bestehenden European Single Access Point und soll den Zugang zu regulatorischen Informationen deutlich erleichtern.
Gerade für international tätige Unternehmen könnte dies ein Baustein sein, um komplexe Regelwerke leichter zu navigieren.

Wie geht es weiter?

Die Trilogverhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat beginnen am 18. November. Ziel ist eine politische Einigung bis Ende 2025. Erst danach wird klar sein, wann und wie die neuen Regeln tatsächlich in Kraft treten.
Fest steht: Die EU reagiert damit auf die Kritik der vergangenen Monate und auf die Sorge vieler Unternehmen, dass administrative Lasten zu Wettbewerbsnachteilen führen könnten. Mit der drastischen Anhebung der Schwellenwerte setzt Brüssel ein Signal – sowohl für mehr Praxistauglichkeit als auch für eine stärker risikoorientierte Regulierung.

Für Österreichs Fleischerei- und Lebensmittelhandwerk, das traditionell von kleinen und mittelgroßen Betrieben geprägt ist, bedeutet die Entscheidung vor allem eines: spürbare Entlastung ohne Abstriche bei freiwilligen Nachhaltigkeitsbemühungen.

PRESSEKONFERENZ mit Jörgen WARBORN