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Handelskonflikt: Situation am Schweinemarkt spitzt sich weiter zu

Nach dem Handelsembargo von Schweinefleisch ist die Branche verunsichert, die Hoffnung liegt nun am wirtschaftlichen Druck seitens der russischen Industrie

Kein Ende in Sicht ist im Handelsstreit zwischen Russland und der EU ist. So hatte Russland nach dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) vor einigen Wochen in Litauen – mittlerweile ist auch Polen betroffen – mit einem Importstopp reagiert – und zwar von nicht behandeltem Schweinefleisch aus der gesamten EU (die ÖFZ berichtete). Die EU bezeichnete diese Reaktion als „unverhältnismäßig“ und ist um Lösung bemüht. Als mögliche Ideen im Raum stand ein neues Exportzertifikat, das für alle Länder außer Litauen und Polen gelten sollte.

Exportzertifikat
Eine Lösung, die Russlands Behörden zwar befürworteten – aber nicht zustimmten. Unterdessen zweifelt der russische Chefveterinär, Sergej Dankwert, offen daran, ob die EU die Bewegung ihrer Wildschweinbestände ausreichend überwacht. Man befürchtet, die Viruserkrankung könnte von Rotte zu Rotte weiter Richtung Westen verschleppt werden. Auch hier spielt die EU den Ball an Russland zurück. Denn die Fälle in Litauen seien auf kranke Wildschweine aus Russland zurückzuführen. Dem EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg zufolge, gibt es in Russland über 600 Fälle. Die Tierseuche gelangte dann über Weißrussland – auch hier sind zahlreiche Fälle bekannt – in die EU. Moskau habe deshalb keinen Grund, die Lage in der EU zu bemängeln.

Ausbruchsort hin oder her, Russlands Haltung hat nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die EU und Österreich. So ist aufgrund dessen der Schweinepreis Mitte Februar (KW 7) um 7 Cent/kg Schlachtgewicht gefallen. Mittlerweile hat sich der Preis bei 1,52 €/kg stabilisiert. Nicht so in Deutschland, denn hier sank die Notierung diese Woche um 5 Cent.

Eigenversorgung gefährdet
Und wie wird es weitergehen? „Jetzt sollte man wirklich Hellseher sein“, meint Dr. Johann Schlederer von der Schweinebörse. So gibt es zwar wohlwollende Erklärungen seitens Russlands, aber keinen konkreten Zeitplan. Damit hängt die Branche in der Luft. „Es ist zu hoffen, dass nicht auch noch der asiatische Markt nervös wird und abbestellt“, fährt Schlederer fort und sieht die Eigenversorgung Österreichs in Gefahr. Fünf Mio. Schweineschlachtungen werden benötigt, um hierzulande diesen Status aufrechtzuerhalten. Sollte die Zahl merklich darunter fallen, wären dementsprechende Strukturveränderungen die Antwort.

Unruhen in der Ukraine
Mittlerweile ist dieser Handelsstreit jedoch bei weitem nicht das einzige Problem zwischen der EU und Russland. Die politische Situation in der Ukraine dominiert das Weltgeschehen. „Nicht für förderlich” hält Schlederer diese Entwicklung, anderer Stimmen befinden eine Verzögerungen im Handelsstreit aus diesem Grund für unwahrscheinlich. „Das können sie sich nicht leisten“, verweist DI Anka Lorenz, Mitglied des Bundesgremiums für Agrarhandel der WKO, auf die wirtschaftliche Bedeutung des Schweinemarktes. „Mit fachlichen Argumenten ist diesem Konflikt nicht beizukommen,“ ergänzt Lorenz. Auch der Vorwurf, die EU würde die Seuche nicht genügend bekämpfen, lässt Lorenz nicht gelten. „Polen und Litauen haben sich mit Maßnahmen nur so überschlagen“, erzählt Lorenz. Schließlich gibt es international festgelegte Standards, wie man sich im Falle eines Tierseuchenausbruchs zu verhalten habe. Wer diese Standards jedoch mit Füßen tritt, ist Russland selbst.

Hoffnung setzt Lorenz hingegen auf die russische Wirtschaft. „Die Fleischindustrie ist mittlerweile verzweifelt. Die Betriebe mussten mittlerweile massiv Mitarbeiter frei setzen“, so Lorenz. Auch die Aussetzung des Handelsembargos von Tierprodukten aus Südamerika, zeigte nicht die gewünschte Wirkung. Kleiner Denkfehler der russischen Behörden: Schweinefleisch aus Südamerika braucht zwei Monate, bis es vor Ort ist. Eine Entlastung für die russischen Betriebe gibt es also vorerst nicht.

Nicht von der Hand zu weisen ist auch die potentielle Gefahr, ASP könnte früher oder später auch Österreich erreichen. 350 km wandern Wildschweinhorden pro Jahr – und damit auch das potentielle Virus. Der milde Winter erleichterte außerdem die Wanderung der Tiere, so Schlederer, was „äußerst ungünstig“ war.

Österreich: Gesetzgebung gefragt
Die betroffene litauische Grenze ist rund 1.000 km von Österreich entfernt. Mathematisch betrachtet könnte die Seuche in gut 2,5 Jahren – so sie nicht eingedämmt wird – sich bis zu uns ausdehnen. Dringenden Handlungsbedarf sieht Schlederer seitens der österreichischen Regierung. Es gibt hierzulande keine verpflichtenden Bio-Sicherheitsmaßnahmen, die den Kontakt zwischen Haus- und Wildschweinen verhindern können. Ein Freilauf ohne sicherer Umzäunung muss also unterbunden werden. Des Weiteren brauche es Informationskampagnen für Verbraucher, keine mitgebrachten, möglicherweise verseuchten Lebensmittelreste aus ehemaligen Oststaaten an Autobahnraststätten & Co wegzuwerfen. (PM)

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