Fleisch & Co: Herr Schmiedbauer, wie geht es Wiesbauer?
Thomas Schmiedbauer: „Na ja, was soll ich sagen. Die Fleischwarenindustrie schreibt rote, teilweise tiefrote Zahlen. Wir müssen als Fachverband schlagkräftiger werden und mehr auf unsere Situation aufmerksam machen.“
Fleisch & Co: Der Verband hat sich 2023 mit einem Hilferuf an die Politik gewendet …
Thomas Schmiedbauer: „Ja, und keiner hat reagiert. Nicht einmal ein Mucks ist ertönt. Das meine ich mit notwendiger größerer Schlagkraft.“
Fleisch & Co: Wo liegt die Ursache?
Thomas Schmiedbauer: „Es ist in der heutigen Zeit sehr schwierig geworden als Fleischverarbeiter Gehör zu finden. Ich kann das durchaus aus eigener Erfahrung berichten. Wir haben schon seit geraumer Zeit notwendige Expansionspläne aufgeschoben, weil wir seitens der Stadt Wien eher Gegenwind bei Grundstückankäufen in der Umgebung verspüren. Das hat aus meiner Sicht auch damit zu tun, dass der Fleischkonsum zunehmend infrage gestellt und es dadurch politisch schwieriger wird, unserer Branche behilflich zu sein.“
Fleisch & Co: Der Auslöser für den Hilfeschrei?
Thomas Schmiedbauer: „Es ist seit letztem Jahr kaum bis nicht möglich, beim LEH längst überfällige Preiserhöhungen durchzubringen, während auf der anderen Seite unsere Kosten explodiert sind und immer noch steigen.“
Fleisch & Co: Von welchen Kosten sprechen wir?
Thomas Schmiedbauer: „Vor allem die Personalkosten setzen uns zu. Wir haben seit 2022 Lohnerhöhungen von mehr als 20 Prozent schlucken müssen. Die Rohstoffpreise beim Schweineleisch haben sich seit 2021 mehr als verdoppelt. Verpackungsmaterialien, Därme, Verpackungen, Maschinen, alles ist empfindlich teurer geworden. Die bisherigen Preiserhöhungen im Lebensmitteleinzelhandel im Jahr 2023 waren im Vergleich zu dieser Kostenlawine ein Tropfen auf dem heißen Stein.“
Fleisch & Co: Wo kann man noch einsparen?
Thomas Schmiedbauer: „Die Einsparungspotenziale sind nahezu ausgeschöpft. Wir haben unser langjähriges Sportmäzenatentum bei der Österreich-Radrundfahrt eingestellt, ebenso die Gelder an bekannte Extremradsportler, weiters Werbebudgets radikal gekürzt, aber auch intern viele Einsparungsmöglichkeiten definiert und umgesetzt. Mit einem Wort: Wir haben den Gürtel bereits sehr eng geschnallt – es zwickt nicht, es tut weh!“
Fleisch & Co: Wo verdienen Sie noch Geld?
Thomas Schmiedbauer: „Unsere Gastro-Sparte läuft gut. Das Werk in Sitzenberg-Reidling ist nahezu ausgelastet und verzeichnet gute Umsatzzuwächse. Unsere Standorte in Wien-Inzersdorf und Saalbach kämpfen. Die Niederlassung in Ungarn ist mit diesen beiden Wurstbetrieben vergleichbar.“
Fleisch & Co: Trotzdem ist die Aktionitis im LEH nicht geringer geworden. Verdient man mit Aktionen noch Geld?
Thomas Schmiedbauer: „Wir sind sicher nicht bei jeder Aktion dabei. An der Qualitätsschraube drehe ich nicht. Das kann ich für Wiesbauer garantieren. Teilweise finde ich die Preise atemberaubend und frage mich, wer da als Produzent noch etwas verdienen soll. Nicht falsch verstehen, natürlich beteiligt man sich als Hersteller hin und wieder aus strategischen Gründen an Aktionen, das lässt sich nicht hundertprozentig ausschließen, sonst stirbt man in Schönheit. Doch um jeden Preis muss ich nicht überall dabei sein. Das kann nur in den wirtschaftlichen Abgrund führen.“
Fleisch & Co: Jüngst haben Sie trotz der Probleme mit der Übernahme der Fleischerei Kabinger im südlichen Niederösterreich expandiert. Wieso das?
Thomas Schmiedbauer: „Da geht es einerseits um den Zusammenchluss mit einen Marktbegleiter, der signifikante Umsätze in der Gastronomie verzeichnet. Andererseits verschafft uns dieser Mittelbetrieb die Chance, auch kleinere Mengenanfragen zu befriedigen beziehungsweise Nischenprodukte in geringen Mengen herzustellen, was wir bisher in unseren Betrieben aufgrund der Strukturen und unserer Ausrichtung nicht umsetzen konnten. Gleichzeitig bekommen wir durch die Übernahme 50 neue, gut ausgebildete Facharbeiter in die Unternehmensgruppe. Das ist angesichts der Personalsituation am heimischen Markt nicht hoch genug zu bewerten.“
Fleisch & Co: Wer wird den neuen Betrieb leiten?
Thomas Schmiedbauer: „Nun zunächst bleibt uns der bisherige Inhaber Josef Kabinger bis zur Pension in naher Zukunft erhalten. Während dieser Zeit gilt es bereits, die geeignete Person zu finden oder an die Position heranzuführen. Operativ wird das Unternehmen aber von unserem Vorstand Ernst Stocker verantwortet.“
Fleisch & Co: Wie sieht es mit Personal aus?
Thomas Schmiedbauer: „Nach wie vor katastrophal. Ich würde sofort an guten Standorten Wiesbauer-Filialen eröffnen. Ein Unterfangen, dass derzeit vollkommen sinnlos ist, weil wir kaum geeignete Kräfte finden.“
Fleisch & Co: Letztes Jahr hat die Wettbewerbsbehörde eine Untersuchung beim LEH punkto Preistreiberei durchgeführt. Rausgekommen ist fast nichts …
Thomas Schmiedbauer: „Wundert’s? Aber grundsätzlich möchte ich mich bei diesem Thema zurückhalten.“
Fleisch & Co: Läuft es im Export besser?
Thomas Schmiedbauer: „Ja, der Absatz ist auf sehr hohem Niveau steigend, die Ergebnisse teilweise erfreulicher.“
Fleisch & Co: Wie hoch ist der Exportanteil und welches der wichtigste Auslandsmarkt?
Thomas Schmiedbauer: „Der liegt stabil bei rund 50 Prozent. Unser wichtigster Auslandsmarkt ist mit Abstand Deutschland. Dort gehen auch unsere tollen Sous-vide-Produkte hervorragend, die in Öserreich durch billige Konkurrenzangebote ausgebootet wurden, die nicht annähernd an den Geschmack von uns heranreichen.“
Fleisch & Co: Angesichts der Lage in der heimischen Wirtschaft und der gebremsten Konjunkturerwartungen, gibt es da noch positive Aspekte?
Thomas Schmiedbauer: „Natürlich. Grundsätzlich finde ich es gut, dass unsere hochpreisigen Artikel nicht an Absatz eingebüßt haben. Die Leute essen vielleicht etwas weniger Fleisch, aber dafür gönnen sie sich jede Woche dann doch etwas Besonderes. Ebenso erfreulich finde ich, dass unsere Branche immer noch größtenteils aus eingesessenen Familienbetrieben besteht. Da ist Herzblut und Leidenschaft dahinter.“
Fleisch & Co: Aber wie lange noch?
Thomas Schmiedbauer: „Das ist die Frage. Irgendwann wird man trotz aller Leidenschaft mürbe, wenn man permanent im Regen stehen gelassen wird. Das ist bedrohlich und wäre sehr, sehr schade.“
Fleisch & Co: Wie ist die aktuelle Situation des Unternehmens nach dem Hochwasser?
Thomas Schmiedbauer: „Innerhalb von nur 90 Minuten wurde der Produktionsstandort von Wiesbauer Gourmet in NÖ rund zwei Meter hoch überflutet und auch der gesamte Fuhrpark ist dem Wasser zum Opfer gefallen. Am meisten bin ich froh, dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind! Die finanziellen Schäden sind verheerend und gehen in die Millionenhöhe. Wir haben alles daran gesetzt, die Ausfälle möglichst gering zu halten und sind auf einem guten Weg, die Produktion wieder voll aufzunehmen. Mein Dank und Respekt gilt unseren Mitarbeiter:innen und allen Einsatzkräften, die freiwillig ihre Zeit und Kraft geopfert haben, damit wir zumindest eine Basis für einen weiteren Bestand innerhalb von 48 Stunden aufstellen konnten.“