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Schlachthöfe Fließ und Wenns: Metzger Bernd Jurschitsch wechselt den Bezirk

Metzgermeister Jurschitsch war 15 Jahre Pächter der Schlachtstelle Fließ – dann kam es zu Streitigkeiten mit dem Bürgermeister Alexander Jäger. Im August 2022 hat Jurschitsch nun die neue Schlacht­stelle in Wenns im Pitztal übernommen.

Knapp 15 Jahre hat Bernd Jurschitsch die Schlachtstelle Fließ im Tiroler Bezirk Landeck geführt. Im Sommer kam es zum Bruch mit der Gemeinde und Abgang in den benachbarten Bezirk Imst.

Was ist passiert? Die Vorgeschichte: Mit der geplanten Modernisierung und dem Ausbau der Schlachtstelle Fließ war ein Leuchtturmprojekt im Tiroler Bezirk Landeck angedacht. Um es auf Schiene zu bringen, wurde 2021 der Gemeindeverband „Schlachthof Fließ“, mit dem Fließer Bürgermeister Alexander Jäger als Obmann an der Spitze, gegründet. 2,4 Mio. Euro soll das Projekt kosten, das die insgesamt 16 im Verband integrierten Gemeinden stemmen müssen. 600.000 Euro soll das Land Tirol zuschießen. Doch dann zieht sich das Projekt in die Länge. Es tauchen erste Bedenken von Gemeindevertreter:innen wegen Standort und Verteilungsschlüssel auf. Auch kommt es zu einer Bauverzögerung.

Zudem hat man wohl die Rechnung ohne den langjährigen Pächter des Schlachthofes Fließ gemacht. Metzgermeister Bernd Jurschitsch sollte laut ersten Pressemeldungen zur „Drehscheibe für die Nahversorgung samt Abholmarkt“ im neuen Schlachthof Fließ werden.

Nach Streitigkeiten: Bernd Jurschitsch geht …

Doch schon bald wurde aus der Drehscheibe ein Abgang. Bernd Jurschitsch kehrte Fließ den Rücken. Seit August 2022 ist er mit seinem Team im Schlachthof Wenns im Pitztal, der zum benachbarten Bezirk Imst gehört, tätig. Fleisch & Co erreicht Bernd Jurschitsch am Telefon und dabei fallen einige Kraftausdrücke. „Jugendfrei übersetzt“ kann man es so zusammenfassen: Der Fleischermeister ist auf den Fließer Bürgermeister und Verbandsobmann, Alexander Jäger nicht gut zu sprechen. Überhaupt nicht gut.

Erfahrener Metzger im Schlachthof Fließ

Doch schauen wir uns zunächst den Werdegang von Bernd Jurschitsch an. Er absolvierte seine Lehre bei der Metzgerei Murr in St. Anton. Es folgen Stationen bei den Lebensmittelgroßhändlern Speckbacher in Reutte und Grissemann in Zams. 2005 bestand der Tiroler die Meisterprüfung, 2007 die Unternehmerprüfung. Danach ist der aus Strengen stammende Fleischermeister viele Jahre bei der Schlachtstelle in Fließ tätig – am 1. Oktober 2022 wären es genau 15 Jahre gewesen.
In seiner Zeit in Fließ schafft Pächter Jurschitsch, wie er uns erzählt, zusätzliche Maschinen an und baut die Schlachtstelle Fließ auf. Aus dem gesamten Bezirk von Oberlech bis Landeck, aber auch von den benachbarten Bezirken, bringen rund 500 Bauern und Jäger ihr Vieh zur Schlachtung und Veredelung nach Fließ. Jährlich werden etwa 600 Rinder, 300 Schweine und 600 Schafe und Ziegen und 300 Hirsche, Gämsen, Rehe plus Pferde verarbeitet. Um den Andrang zu bewältigen, vergrößert Jurschitsch sein Team. Heute arbeiten ein Geselle, eine Hilfskraft und erstmals ein Lehrbub mit im Team.
Aber eben nicht mehr in Fließ. „Man hat mich schon oft angefragt. Heuer habe ich zugesagt“, sagt Jurschitsch über seinen Wechsel nach Wenns im Pitztal.

Die leeren Versprechungen des Bürgermeisters

Knapp vor dem Ausbau zu einem größeren und modernen Schlachthof verlässt der langjährige Pächter die Gemeinde und wechselt in einen anderen Bezirk? Das wirft doch Fragen auf. Die Gründe dafür seien, sagt uns Metzgermeister Jurschitsch im Interiew, das Verhältnis zum Fließer Bürgermeister, leere Versprechungen und die Bauverzögerung. „Dafür gibt man mir die Schuld, weil ich nicht unterschrieben habe. Der Pachtvertrag passte aber nicht für mich.“
Metzgermeister Bernd Jurschitsch hätte sich, wie er sagt, mit seiner Unterschrift in einen Würgegriff begeben. „Je mehr ich gemetzgert hätte, umso mehr wäre das rechnerisch zu meinem Nachteil gewesen.“ Jurschitsch erzählt weiters, dass er sich vor seinem Abgang noch ein letztes Mal an den Fließer Bürgermeister gewendet und ihm drei Wochen Zeit gegeben habe, den Pachtvertrag zu überdenken.
Als Reaktion aus der Gemeinde Fließ erfolgte laut Jurschitsch, die Neuausschreibung des Pachtvertrags. Damit sank die Stimmung beim bisherigen Pächter und die Gesprächsbereitschaft gegen null. Es folgten gegenseitige Vorwürfe. So sagt Bürgermeister Alexander Jäger, dass er aus der Zeitung erfahren habe müssen, dass der Schlachtstellen-Pächter Fließ verlässt. Jurschitsch kontert: Der Bürgermeister habe es drei Wochen lang nicht für nötig befunden, sich zu melden.

Der Bürgermeister Alexander Jäger sagt

Fleisch & Co hat selbstverständlich auch beim Fließer Bürgermeister und Verbandsobmann Alexander Jäger nachgefragt. Leider wurde ein Statement abgelehnt, lediglich auf eine baldige Pressemitteilung verwiesen –, diese ist allerdings bis zum Redaktionsschluss nicht erschienen.
Was wir finden konnten, war eine Stellungnahme in der Fließer Gemeindezeitung, August 2022, die wir hier aus journalistischer Sorgfaltspflicht abdrucken: „Wie schon bereits in den Medien berichtet wurde, hat Metzgermeister Bernd Jurschitsch den Fließer Schlachthof am 1. August verlassen. Auch ich habe es aus den Medien erfahren, dass Bernd nach Wenns gehen wird. Als Bürgermeister und somit auch Verbandsobmann des Schlachthofes Fließ war und ist es mir ein Anliegen, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und für jeden die bestmögliche Lösung zu finden. Einerseits gibt es klare Vorgaben des Verbandes (die bereits bei der Gründung beschlossen worden sind) und andererseits braucht es auch eine gute Lösung für den Pächter. Es hat viele Besprechungen zum Projekt Neubau gegeben. Zu diesen Besprechungen war auch Bernd immer eingeladen, seine Ideen und Abläufe eines Schlachtbetriebs kundzugeben. Auch der Entwurf des Pachtvertrages wurde mit Bernd und seinen Vertrauten durchgesehen und für in Ordnung erklärt. Über gewisse Punkte in einem Vertrag kann man nicht verhandeln. Die Wassergebühr muss schließlich jeder bezahlen, so auch der Schlachthof Fließ. 16 Gemeinden investieren in den Standort eine ordentliche Summe an Geld, somit muss für diese Gemeinden sichergestellt werden, dass die Bauern aus den 16 Gemeinden den Vortritt bei den Schlachtungen gegenüber Nichtmitgliedsgemeinden haben sollen. Das wäre nicht akzeptabel, wenn die Nichtmitgliedsgemeinden den gleichen Vorteil hätten wie die Mitglieder des Gemeindeverbandes.“

Seit August 2022 ist Bernd Jurschitsch mit seinem Team im Schlachthof Wenns im Pitztal. © Jurschitsch
Seit August 2022 ist Bernd Jurschitsch mit seinem Team im Schlachthof Wenns im Pitztal. © Jurschitsch

Erfolgreicher Neustart in der Schlachtstelle Wenns

Seit August 2022 betreiben Jurschitsch und sein Team nun die Schlachtstelle Wenns im Pitztal. Diese wurde im Oktober 2021 neu eröffnet und spielt alle Stückeln. „Es ist alles da, was man braucht, und wir wurden mit offenen Armen aufgenommen.“ Das Geschäft entwickelt sich gut.
Inzwischen wurde auch ein Tag der Offenen Tür gefeiert. Mitte Oktober 2022 lud die Gemeinde zur feierlichen Segnung der neuen Schlachtstelle. Der Wenner Bürgermeister Patrick Holzknecht berichtete über die gute und richtige Entscheidung für die Pitztaler Gemeinden, das Schlachthaus Wenns neu zu bauen, um die Einheimischen im Tal, die Gastronomie und Touristen mit regionalem Fleisch versorgen zu können. Die Kosten für die Schlachtstelle Wenns betrugen 1,7 Mio. Euro, die über die vier Pitztaler Gemeinden, den Tourismusverband und das Land Tirol, finanziert wurden.

Schlachthof Fließ: Die neuen Pächter sind Georg Venier sen. und Georg Venier jun.

Der Schlachthof Fließ im Bezirk Landeck sollte ursprünglich um 2,4 Mio. Euro ausgebaut werden. Im Oktober 2021 erfolgte die Gründungsversammlung des Gemeindeverbandes „Schlachthof Fließ“ mit den 16 Gemeinden Faggen, Fendels, Fließ, Flirsch, Grins, Kaunertal, Ladis, Pians, Prutz, St. Anton am Arlberg, Serfaus, Strengen, Tobadill, Tösens und Zams. Doch es läuft nicht rund. Nicht alle Bezirksgemeinden wollen sich beteiligen, Standort und Kosten werden infrage gestellt.
Dann springt der langjährige Pächter Bernd Jurschitsch ab. Der Baustart verzögert sich. Mittlerweile sind auch die Kosten für den Ausbau um eine weitere Million Euro gestiegen. Budgetiert sind nun rund 3,4 Mio. Euro, die in der Vollversammlung des Gemeindeverbandes „Schlachhof Fließ“ kürzlich abgesegnet wurden. Vom Land Tirol gibt es eine Förderzusage von weiteren 600.000 Euro, also gesamt 1,2 Mio. Euro. Der Schlachthof Fließ, sprich Grund und Gebäude, wurden bereits an den Verband veräußert. Anfang 2023 soll nun der Umbau starten. Mit der Fertigstellung wird im Herbst 2023 gerechnet. Erfreulich: Mit dem erfahrenen Georg Venier sen. und Georg Venier jun., ein Vater-Sohn-Duo, beide Fleischermeister aus Tarrenz, wurden auch neue Pächter gefunden!

Autorin: Barbara Egger

Der nagelneuen Pitztaler Schlachthof. © Beigestellt

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