Lebensmittelforschung: Schinken ohne Fleisch
Im Fachgebiet für „Lebensmittelmaterialwissenschaften“ der Uni Hohenheim geht es nach wie vor um die sprichwörtliche Wurst. Selbiges Fachgebiet hieß unlängst allerdings noch „Fleischtechnologie“ und nach wie vor demonstriert ein Metzgermeister ein Mal im Jahr hier das fachgerechte Zerlegen eines Schweines für die Studierenden. Doch der Schwerpunkt der Forschung hat sich inzwischen merklich verlagert. So suchen hier junge Forschende des Bachelor-Studiengangs Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie nach den Ursachen warum bestimmte vegane Wurstsorten geschmacklich näher an das tierische Original herankommen als andere. Und suchen gleichzeitig auch nach innovativen Lösungen um leckeres Wurstzeug und schmackhaften Aufschnitt ganz ohne Tierleid herzustellen.
Vier forschen an pflanzlichen Alternativen
Sebastian Mannweiler, Dominic Oppen, Maurice König und Theresa Scheuerer promovieren in Hohenheim am Lehrstuhl für Lebensmittelmaterialwissenschaften und haben in ihrem Projektseminar „Ham without oink” einen veganen Schinken mit dem richtigen Mund- und Kaugefühl entwickelt. Für so manche tierische Produkte wie Faschiertes oder Brühwürste gibt es bereits einige überzeugende, pflanzlicher Alternativen auf dem Markt. Doch härtere Wurstsorten, wie Kochschinken oder Salami, stellen immer noch eine große Herausforderung dar. Das richtige „fleischige” Gefühl beim Kauen entsteht hier durch die komplexe Textur der Muskelfasern die gar nicht leicht zu imitieren sind.
Veganer Kochschinken mit Kruste – fast wie das Original
Und doch scheint es geschafft: den Forschenden gelang ein veganen Kochschinken mit Räucherkruste, der fest, aber gleichzeitig auch elastisch und saftig ist und beim Kauen beinahe dem Original gleicht. Das Geheimnis der fleischähnlichen Struktur liegt in der Verwendung von dem Weizenprotein Gluten zum Binden des enthaltenen Wassergehaltes. So lassen sich die langkettigen Eiweißmoleküle durch das einfache Dehnen der Grundmasse in eine gleichförmige, muskelfaserähnliche Ausrichtung bringen. So entsteht dann die gewünschte feste und faserige Struktur, die im Mund an den Biss in ein Fleisch erinnert. Um denn die vegane Schinkenmasse noch mehr zu verfestigen, wurde diese mit dem Enzym Transglutaminase behandelt, welches eine bessere Quervernetzung der Proteine bewirkt. Ebneso wurden die Zutaten in ein optimales Verhältnis gebracht und die richtige Würze und natürliche Farbgebung taten ihr Übriges. Zuletzt wurde das Produkt noch geräuchert um die leckere Kruste zu erzeugen und die Haltbarkeit zu verlängern.
Geschmackstest in der Mensa
Ob der vegane Kochschinken den allgemeinen Geschmackstest besteht und schon seine Markreife hat, wurde von Kommiliton:innen, eingeladenen Metzgermeister:innen und Vertreter:innen der Presse am 17. Mai 2023 bei einer Verkostungsaktion in der Hohenheimer Mensa geprüft. Wie man hört, soll die Aktion ein voller Erfolg gewesen sein. Also könnte in naher Zukunft, neben dem „echten” Schinken aus Fleisch auch eine ebenso schmackhafte, pflanzliche Schinken-Alternative beim Metzger des Vertrauens zu erstehen sein.