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Bio-Fleisch auf dem Rückzug? Öffentliche Hand schwächelt bei Tierwohl und nachhaltiger Beschaffung

Der Bio-Anteil in öffentlichen Einrichtungen sollte 2025 bei 30 Prozent liegen, doch neue Zahlen zeigen: Viele Ministerien verfehlen die Quote – oder wissen nicht einmal, wie viel Bio-Fleisch sie einkaufen. Besonders brisant: Die Justizanstalten steigen aus der nachhaltigen Beschaffung aus. Was bedeutet das für die Fleischbranche?

Öffentliche Beschaffung unter Druck: Warum Bio-Fleisch und Tierwohl in Ministerien auf der Strecke bleiben
Wien. Der naBe-Aktionsplan der Bundesregierung sollte die nachhaltige öffentliche Beschaffung stärken und den Absatz heimischer Bio-Betriebe sichern. Ziel war es, bis 2025 einen Bio-Anteil von 30 % bei Lebensmitteln in Bundesstellen zu erreichen – darunter auch Bio-Fleisch mit klaren Tierwohl-Kriterien. Doch aktuelle Zahlen aus parlamentarischen Anfragen und Ministerien zeigen: Die Umsetzung stockt, einige Ressorts weichen sogar offen von den Vorgaben ab.

Bio-Fleisch im Rückwärtsgang: Justizanstalten stoppen Einkauf

Ein besonders alarmierendes Beispiel liefert das Justizministerium. Wie Der Standard berichtete, wurde Anfang 2025 ein internes Rundschreiben an sämtliche Justizanstalten verschickt. Die Anweisung: Aus Kostengründen sollen keine biologisch erzeugten Lebensmittel mehr beschafft werden. Das betrifft auch Fleischprodukte – und sendet ein fatales Signal an Bio-Bauern und die gesamte Fleischbranche.
Laut offizieller Anfragebeantwortung durch Bundesministerin Anna Sporrer liegt der Bio-Anteil in den Justizanstalten nicht vor. Die Lebensmittelbeschaffung erfolgt teils über Rahmenverträge der BBG, teils durch Eigenproduktion. Der Anteil an GVO-frei gefüttertem Fleisch beträgt laut Ministerium mindestens 58 %, zertifiziertes Bio-Fleisch ist jedoch nicht ausgewiesen. Bei rund 8,5 Mio. Euro Auszahlungen bis Mai 2025 bleibt unklar, wie viele Produkte Tierwohl-Kriterien erfüllen.

📊 Tabelle: Auszahlungen 2025 je Justizanstalt

Justizanstalt/FTZ 2025 (in Tsd. €) 2026 (in Tsd. €) Auszahlungen bis 22.5.2025 (in Tsd. €)
GD/Zentralkredit 8346 4322 18
Josefstadt 2250 2250 1081
Korneuburg 482 482 252
Krems 333 333 96
St. Pölten 570 570 242
Wr. Neustadt 321 321 166
Eisenstadt 338 338 144
Linz 447 447 200
Ried 137 137 70
Asten 1069 1069 725
Wels 263 263 123
Salzburg 550 550 279
Graz-Jakomini 994 994 460
Leoben 290 290 161
Klagenfurt 648 648 313
Innsbruck 990 990 407
Feldkirch 245 245 115
Favoriten 291 291 110
Mittersteig 280 280 119
Gerasdorf 171 171 91
Göllersdorf 376 376 156
Simmering 793 793 304
Stein 1710 1710 967
Schwarzau 333 333 146
Hirtenberg 663 663 342
Sonnberg 760 760 374
Garsten 674 674 318
Suben 529 529 278
Karlau 849 849 451

Kulturministerium: wenig Volumen, kaum Daten

Auch im Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport (BMWKMS) gibt es Probleme bei der Nachvollziehbarkeit. 2025 wurden bis Juni nur 44.000 Euro für Lebensmittel ausgegeben – vor allem für Veranstaltungen. Eine zentrale Kantine existiert nicht. Bio- oder Tierwohlquoten konnten aufgrund fehlender Datenstrukturen nicht erhoben werden. Minister Andreas Babler betont die Mitarbeit am naBe-Fachausschuss – jedoch fehlt auch hier ein funktionierendes Monitoring. Hier die offizielle Antwort des Vizekanzlers.

Kritik aus Politik und Branche: naBe-Ziele gefährdet

Olga Voglauer, Landwirtschaftssprecherin der Grünen, zeigt sich angesichts der mangelhaften Umsetzung alarmiert: „Die Fortschritte zu mehr Tierwohl und Bio in der öffentlichen Beschaffung sind marginal. Mit diesem Schneckentempo wird man die selbst gesetzten Ziele nicht erreichen.“ Auch Bio Austria warnt, dass die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion habe – und mit ihrer aktuellen Praxis das Vertrauen in den naBe-Aktionsplan untergrabe.
Besonders kritisch: Laut Angaben des Justizministeriums stammen etwa 12–14 % der Fleischprodukte in den Anstalten aus Eigenproduktion. Diese Produkte entsprächen in ihrer Qualität weitgehend Bio-Standards – sie seien jedoch nicht zertifiziert. Damit entfällt nicht nur die Prüfbarkeit, sondern auch die Signalwirkung für den Markt.

Gefahr für die Fleischbranche: Weniger Absatz, weniger Sicherheit

Für die österreichische Fleischbranche ist diese Entwicklung ein Warnsignal. Die öffentliche Hand als Großabnehmer fällt als verlässlicher Partner für Bio-Fleisch zunehmend weg. Auch bei Schweinefleisch greifen viele Ministerien nicht auf Angebote mit höheren Tierwohlstandards zurück. Stattdessen bleibt es bei unklaren Zahlen, fehlenden Kennzeichnungen und Rückschritten beim Einkauf.
Der Einzelhandel zeigt, dass es anders geht: Dort liegt der Bio-Fleischanteil bei etwa zwölf Prozent. Die öffentliche Beschaffung hingegen dümpelt bei unter drei Prozent dahin – obwohl gerade sie laut naBe-Aktionsplan als Hebel für mehr Tierwohl und regionale Wertschöpfung gedacht war.

Der Anspruch war groß – die Umsetzung bleibt klein

Der naBe-Aktionsplan sollte zeigen, dass nachhaltige Landwirtschaft und verantwortungsvoller Konsum keine Nischenprojekte sind. Doch ausgerechnet in Justizanstalten und Ministerien fehlt es an Transparenz, Systematik und politischem Willen. Für Bio-Betriebe und tierwohlorientierte Fleischereien bedeutet das: Weniger Planungssicherheit, weniger Absatzchancen – und ein deutliches politisches Versäumnis.

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