Text: Isabella Weippl
Im Stadthotel Pinkafeld trafen sich Anfang Oktober die burgenländischen Bäcker, Fleischer- und Konditoren zur jährlichen Landestagung. Ein kritischer Ausblick in die Zukunft des Handwerks, Strategien um den Betrieb für den Markt der Zukunft zu rüsten, Neuerungen und Richtlinien für das kommende Jahr und ein Überblick über das AMA-Handwerksiegel – das alles erwartete die Besucher.
Landesinnungsmeister Franz Wallner startete mit einem Überblick über die wirtschaftlichen Ereignisse des Jahres und die Arbeit der Innung. Futtermittelskandal, Eierskandal, Pferdefleischskandal – für Wallner ist 2013 das Jahr der Lebensmittelskandale. Skandalös auch für die wirtschaftliche Lage der Klein- und Mittelbetriebe? Nein, im Gegenteil: „Ich kann mich an keinen Skandal erinnern, der für uns negativ war“, so Wallner. Denn der Image- und Vertrauensverlust bei den Konsumenten ging dabei immer zulasten der großen Handelsketten und zugunsten der Kleinunternehmer und ihres Marktanteils. Angenehm überrascht zeigte sich Wallner dabei von der Berichterstattung der Medien, die keinen Buhmann suchten, sondern die Hintergründe beleuchteten. Überraschend dabei war auch das wieder erwachende Interesse an Pferdefleisch: „1972 hat der letzte Pferdefleischer im Burgenland aufgehört. Seit ich mich einem Fernsehbericht zum Skandal geäußert habe, verkaufe ich in meinem Geschäft wieder Pferdefleisch, weil die Nachfrage dermaßen gestiegen ist“, so Wallner.
Alles also eine Frage des richtigen Marketings? Scheinbar, denn auch ein zweiter, ursprünglich negativer Anstoß brachte die Lebensmittelgewerbe letztendlich positiv in die öffentliche Wahrnehmung. Die Rede ist von der „1 Euro Burger“ – Werbekampagne der Fastfoodkette Mc Donald’s, die zu einer breiten Diskussion in Medien und Öffentlichkeit führte. Nicht nur den Fleischern stieß der in der Realität gemeinhin eher umgekehrt auftretende Vergleich zwischen üppig gefülltem Burger und kaum mit Wurst bedachter Semmel sauer auf. „Wir hatten in einer Sitzung der Innung beschlossen über die sozialen Medien eine Gegenkampagne gegen diese Verunglimpfung der Wurstsemmel zu starten“, so Wallner. Aber die allgemeine Meinung war schneller. „Bis Montag war die die Facebook-Seite von Mc Donald’s schon voll mit fotografischen Gegenbeweisen und Kritik.
Radiowerbung
Dass die Fleischer neben der Wurstsemmel zahlreiche andere Spezialitäten bieten, das wurde mit einer Imagewerbung auf Radio Burgenland bewiesen. Acht Wochen lang wurden Picknickkörbe, gefüllt mit Erzeugnissen der burgenländischen Lebensmittelgewerbe, unter der Bevölkerung verlost. Dabei mussten die Interessenten Fragen zu den Produkten beantworten – eine unterhaltsame Art, das Wissen der Hörer über die burgenländischen Erzeugnisse zu erweitern.
Und was wird die Zukunft für die Lebensmittelgewerbe bringen? Einiges an neuen Vorschriften, die verpflichtende Tara-Taste gilt laut Wallner ab nächstem Jahr nicht nur für das Verpackungs-Papier, sondern jegliche Verpackung, auch die Produkt-Bezeichnungen werden stärker reglementiert: „Mageres Faschiertes“ etwa darf höchsten 7% Fettanteil enthalten, auch wenn es nicht verpackt verkauft wird, ebenso die Begrifflichkeiten zur Kühlung werden genau definiert. Damit es nicht nur eine Zunahme an Vorschriften und Regelungen sondern auch an geschäftlichem Erfolg geben kann, stellte Unternehmensberater und Bäckermeister Wolfgang Hager in seinem Vortrag „Markt-Strategien für eine erfolgreiche Zukunft als Einzelunternehmer“ vor. Es sei ein Fakt, so Hager, dass immer mehr Betriebe vom Markt scheiden – seien es Bäcker, Konditoreien oder eben Fleischer. Warum? Weil sie links und rechts von den Mitbewerbern überholt würden. Daher muss sich auch der kleinste Unternehmer mit den Anforderungen des Marktes auseinandersetzen. Den Status Quo halten reicht nicht mehr: „Erfahrung allein ist kein guter Ratgeber, wenn sie nicht durch stete Neugier und Veränderung geleitet ist“, so die Maxime von Hager. Denn die Industrie, die Diskonter hätten das wirtschaftliche Knowhow und die technischen Gegebenheiten.
Es sei daher keine Frage, sondern eine Pflicht, bestimmte Themen umzusetzen, um mithalten zu können.
Wunsch nach zentraler Versorgung
Ein Beispiel sei der Wunsch des Konsumenten nach allgemeiner Versorgung – er will nicht für jedes Produkt in ein eigenes Geschäft laufen. Ein Zusammenschluss von Fleischereien und Bäckereien oder die Erweiterung um eine Gastro-Lizenz sei daher wenn nur irgendwie möglich umzusetzen. Zumal letztere den Vorteil der Sonntagsöffnung bietet – ein wichtiger Vorteil in der Kundengewinnung.
Erstens entspricht es dem Kundenwunsch nach allgemeiner Verfügbarkeit, zweitens sei Sonntag der Tag, an dem mit Zeit und Genuss eingekauft werde und wo außerdem bei Ehepaaren und Familien gemeinsam, also mit verstärkter Finanzkraft eingekauft werde. Und wer am Wochenende die Produkte kennenlernen könne, komme auch unter der Woche eher wieder. Keine Frage – in Bezug auf die Arbeitszeiten ist die Sonntagsöffnung eine Herausforderung, aber eine lohnende. Zudem empfiehlt Hagerer sich bei der Inszenierung der Regionalität und handwerklichen Qualität noch mehr ins Zeug zu legen, dabei aber immer wirtschaftlich zu bleiben.
Also durchaus in den Produktionskosten zu trennen – einige Top Produkte sollen aufwändig inszeniert werden, die Alltagsware durchaus kostengünstig gestaltet werden. Und: neue Produkte müssen in immer kürzeren Abständen herausgebracht werden, um den Konsumenten neugierig zu halten. Der Produktlebenszyklus hat sich hier laut Hagerer von 7 auf 3 Jahre verkürzt. Und wie soll man das alles ermöglichen? Man muss seine Zahlen ganz genau kennen, nicht erst wenn der Steuerberater anfragt, ist es nach Hager Zeit für die genaue Aufstellung, die Cash Flow Raten sollten kein Fremdwort sein. Wer seine Zahlen genau kennt, scheut vielleicht auch nicht den nicht geringen Bürokratie Aufwand des Ama-Handwerksiegels.
AMA-Handwerksiegel
Die neusten Zahlen dazu präsentierte Mag. Claudia Weiss von der Lebensmittelakademie. Bis Ende 2014 sollen 200 Betriebe zertifiziert sein, bisher sind es 55, wobei 240 persönlich beraten werden, weitere 60 hätten angefragt – und insgesamt kontaktiert wurden seit letztem Mai 1.900 Betriebe. Die notwendigen Dokumente werden in einem kostenfreien Coaching erstellt. Für die Kosten der Lizenzierung, sowie die jährlichen Folgekosten von mehreren hundert Euro stehen umfangreiche Werbematerialien, kostenfreie Fotos und rege Medienarbeit zur Verfügung. Auf jeden Fall beste Werbung für den eigenen Betrieb bietet nächstes Jahr wieder die lange Nacht des Genusses, auf die Innungsmeister Wallner zum Schluss der Veranstaltung als dringende Empfehlung hinwies, denn auch am Land wüssten die Kunden kaum mehr etwas von der Herstellung der Produkte – eine gute Gelegenheit die geforderten Geschichten zum Produkt zu erzählen.