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Von Apfelbaum bis Bratwurstglöckerl

Auf viele Standbeine setzt Köttstorfer – unter anderem auf die Immobilienverpachtung

Bereits in den 1960er-Jahren sind die Brüder Josef und Rudolf Köttstorfer von Klausen (Niederösterreich) in die ober­österreichische Landeshauptstadt ausgewandert, um sich hier als Fleischer selbstständig zu machen. Mitte der 1980er-Jahre übernahm Rudolfs Sohn Klaus den Betrieb des Vaters in der Hatschekstraße im Linzer Bezirk Bindermichl.

Neben dem Detailverkauf hat Kötts­torfer auch die Gemeinschaftsverpflegung in einigen sozialen Institutionen im Raum Linz über – darunter einige namhafte Kunden wie etwa das gleich ums Eck befindliche Wagner-Jauregg-Spital. Wurst und Schinken wird übrigens nicht hier produziert. „Wir sind rein in der Veredelung tätig. Den Rest kaufen wir zu“, erzählt Klaus Köttstorfer. Ein Drittel des verkauften Sortiments ist übrigens Bio, der Rest aus konventioneller Landwirtschaft.

Traditionsbetriebe
Ein weiteres Standbein hat sich für Köttstorfer übrigens in einem ganz anderen Bereich ergeben. Denn der Tausendsassa ist neben seinem Fleischereibetrieb im Verpachten und Verwalten von Immobilien tätig. Darunter auch einige Linzer Traditionsbetriebe wie die Speiselokale Zum schiefen Apfelbaum oder das Bratwurstglöckerl. Auch Wohnungen zählen zu den Liegenschaften von Köttstorfer.

Neueste Errungenschaft ist ein Hotel mit Fleischerei im oberösterreichischen Ulrichsberg. Die ehemals von Rührnößl geführten Betriebe wurden im April dieses Jahres von Kötts­torfer übernommen. Betreiben will diese Köttstorfer jedoch nicht selbst – Und warum erwirbt man dann trotzdem eine solche Liegenschaft? „Ich finde diese Gegend im Böhmerwald einfach toll. Ich glaube, dort in der Nähe wird auch mein Alterssitz sein“, so der 47-Jährige.

Wobei von Ruhestand derzeit noch keine Rede sein kann: „Eigentlich fühle ich mich wie 30 oder 35. Dass ich schon 47 bin, fällt mir nur auf, wenn mir der Optiker eine Gleitsichtbrille verkaufen will“, so Köttstorfer.

Dreiländereck
Für das Hotel hatte man eigentlich schon einen Pächter gefunden, allerdings hatte es sich dessen Hausbank knapp vor der Vertragsunterzeichnung anders überlegt. Jetzt heißt es, mit dem Suchen wieder von vorn zu beginnen. Das Absurde daran: Pächter fürs Hotel ist noch keiner vorhanden, dafür gibt es schon Anfragen für Reservierungen. Rein theoretisch könnte schon ein Großteil der 68 Betten ausgebucht sein.

Hier im Dreiländereck von Österreich, Deutschland und Tschechien boomt der Fremdenverkehr, denn die Region gilt als eine der Toptourismusgebiete – im Winter bietet der Hochficht Skipisten für alle Könnerstufen und Gelegenheit zum Schneemobilfahren, im Sommer zieht der Böhmerwald Wanderlustige und Fahrradfahrer an. Für Abwechslung in der anspruchsvolleren Freizeitgestaltung sorgen der Golfplatz und ein Hochseilpark.

Im schlimmsten Fall will Köttstorfer das Hotel ab Anfang November vorübergehend selbst betreiben. „So oder so, wir sperren in ein paar Wochen auf“, so der Unternehmer. Sicher eine gute Entscheidung, denn eine Liegenschaft dieser Art, die in einer Tourismusregion zu lange stillliegt, verliert zwangsläufig an Renommee.

Probemäßiges Wursten
Was die Fleischerei betrifft, gestaltet sich das Selbstbewirtschaften als etwas komplizierter. Kilometermäßig ist der Standort zu weit von Linz entfernt, um ihn regelmäßig selbst zu betreuen. Außerdem will Köttstorfer seinen Betrieb in der jetzigen Größenordnung mit zehn Mitarbeitern aufrechterhalten. „In Zukunft gibt’s nur mehr ganz groß oder ganz klein“, ist Köttstorfer überzeugt. Was man allerdings sehr wohl getan hat, ist probemäßig tageweise hier vor Ort zu produzieren. „Rührnößl mag ja einige Fehler gemacht haben, aber bei der Ausstattung der Fleischerei hat man wirklich keine halben Sachen gemacht“, so Köttstorfer.

Für ihn selbst ist das Wursten natürlich ein großer Spaß: „Jetzt immer wieder vor dem Kutter zu stehen ist schon ein sehr gutes Gefühl“, meint er und grinst. Erst vergangene Woche wurde die gesamte Fleischerei in Probe genommen, als Azubi stand ein junger Mann aus dem Ort zur Seite. Der erhielt den Auftrag, ein paar Freunde einzuladen.

Gratis-Weißwurst
Womit Köttstorfer jedoch nicht rechnete, war die augenscheinliche Beliebtheit des jungen Ulrichsbergers: 50 Personen fanden sich im Restaurant des Hotels ein und freuten sich auf frische Schmankerl. Und was tut man in so einem Fall? „Ich hab in die Hände geklatscht und gesagt: Jetzt gibt’s Bier und Weißwürste für alle“, so Köttstorfer. Und das gratis? „Freilich. So etwas muss man sich dann einfach leisten. Und am nächsten Tag waren wir in Ulrichsberg das Ortsgespräch.“

Allerdings, so räumt er ein, habe er anfangs die Anzahl der hungrigen Mäuler unterschätzt. Denn das Lokal umfasst 280 Sitzplätze – 50 Leute empfindet man dann als vergleichsweise kleine Gruppe.

„1.500 kg Wurst könnten hier pro Tag produziert werden“, meint Kötts­torfer. Auch Selchkammern und Reiferäume sind hier. Die voll ausgestattete Produktion umfasst 400 m², der Verkauf inklusive Imbiss 60 m². „Wenn alles so gut passt wie da oben, ist das für jeden jungen Menschen, der sich selbstständig machen will, das Beste“, ist Köttstorfer überzeugt. Auch die Kinder haben vergleichsweise wenig Interesse. Die Tochter bleibt zwar zumindest der Immobilienbranche treu und beginnt eine Lehre als Immobilienfachfrau, der Sohn hat sich jedoch noch nicht für eine berufliche Sparte entschieden. „Jemanden zu etwas zu zwingen bringt gar nichts. Man muss einen Beruf schon ausüben wollen“, meint Köttstorfer dazu.

Und bis er selbst pensionsbedingt seinen Alterssitz nach Ulrichsberg verlegt, wird wohl noch einiges an Scherbeneis in die Kutter gegeben werden.

von Pia Moik

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