Die heimische Lebensmittelindustrie ist über die Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in Sachen Preisabsprachen mit dem Handel tief beunruhigt. “Nervös sind alle deswegen”, sagte Josef Domschitz vom Fachverband der Nahrungsmittelindustrie vor Journalisten auf der Nahrungsmittelmesse Anuga in Köln. Kritik an der Vorgehensweise der Wettbewerbshüter wollte der Branchenvertreter aber nicht üben.
“Die Rechtslage gilt für alle Unternehmen”, betonte Domschitz. “Es ist wie im Straßenverkehr.” Derzeit biete der Fachverband den Unternehmen Schulungen für Wettbewerbsrecht in Absprache mit der Bundeswettbewerbsbehörde an.
Bei den aktuell laufenden Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde im Lebensmitteleinzelhandel und in der Nahrungsmittelbranche wurde bisher Rewe (u.a. Billa, Merkur, Adeg, Penny) zu einer Strafe von 20,8 Mio. Euro verurteilt, Berglandmilch (Schärdinger, Tirol Milch) zu 1,1 Mio. Euro sowie die Vorarlberger Mühlen- und Mischfutterwerke zu 58.500 .
Die BWB ermittelt derzeit auch gegen Spar wegen des Verdachts auf vertikale Preisabsprachen und hat dutzende Hausdurchsuchungen bei Lieferanten durchgeführt, darunter NÖM, Kärntner Milch, Vorarlberg Milch, Emmy und Hirter Bier. Spar wirft den Wettbewerbshütern vor bei einer Hausdurchsuchung der Kärntner Regionalzentrale eine Spionagesoftware eingesetzt zu haben. Die BWB wollte den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen und klagte daraufhin Spar wegen übler Nachrede und Verleumdung.
Der Chef der AMA Marketing, Michael Blass, verwies im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Wettbewerbshüter auf die hohe Konzentration im österreichischen Lebensmittelhandel. Rewe, Spar und Hofer würden auf einen Marktanteil von rund 85 Prozent kommen, im Gegensatz zu Deutschland wo die “Big Three” nur auf 55 Prozent Marktanteil auf sich vereinen würden. Auch viele andere hochkonzentrierte Branchen seien von Ermittlungen von Ermittlungen betroffen, sagte Blass in Köln.
Positive Nachrichten vermeldete die Branche für den Export. Im ersten Halbjahr 2013 legten die Lebensmittelexporte um 5,8 Prozent auf 2,66 Mrd. Euro zu. Die Ausfuhren nach Deutschland schnellten um rund 10 Prozent auf 881 Mio. Euro zu. Insgesamt stieg der vom Fachverband veröffentlichte Branchenumsatz um 4,3 Prozent auf 3,96 Mrd. Euro. Zu den größten heimischen Lebensmittel- und Getränkeproduzenten zählen Red Bull, Agrana (u.a. Wiener Zucker), Leipnik Lundenburger (u.a. Fini’s Feinstes), Vivatis (Landhof, Maresi), Berglandmilch (Schärdinger, Tiroler Milch) und der Fruchtsafthersteller Rauch.
Die Lage am Heimatmarkt Österreich bezeichnete Domschitz als “schwierig”. Die Branchenentwicklung sei von einem Verdrängungswettbewerb zwischen Spar und Rewe gekennzeichnet. Beispielsweise liege der Aktionsanteil bei Nahrungsmittel und Getränken im Handel bereits zwischen 30 und 50 Prozent – am öftesten seien Fleisch, Bier und Molkereiprodukte in Aktion. Auch die Expansion der Handels-Eigenmarken bereite der Nahrungsmittelindustrie Sorgen.
Die fehlende Marktmacht der österreichischen Lebensmittelindustrie würde den Preissetzungsspielraum der Hersteller einengen und dämpfe die Ertragsentwicklung, heißt es dazu in einem Branchenbericht der Bank Austria. Die Ertragslage habe sich auch in erfolgreichen Jahren kaum verbessert.
“Die Lebensmittelnachfrage in Österreich wird vom schwachen Bevölkerungswachstum, dem wachsenden Anteil alter Menschen und der zunehmenden Sättigung der Konsumenten gebremst”, so der Ausblick der Bank Austria. Stärkere Zuwächse gebe es für Hersteller von Lebensmittel mit hoher Qualität und hoher Wertschöpfungsintensität.
Bei der weltweit größten Nahrungsmittel- und Getränkemesse, der Anuga in Köln, profilierten sich die heimischen Hersteller mit neuen Produktideen. Über 500 Unternehmen bewarben sich für die Sonderschau der innovativsten Neuvorstellungen. Eine Jury wählte 53 Produkte und Konzepte aus, davon stammten zehn Produkte von österreichischen Herstellern.
Ausgewählt Innovationen aus Österreich waren ein “Cola Fruchtaufstrich” von S. Spitz, “Pikante Extra ohne Fleisch” von Landhof und Joghurts in den Sorten “Marillenknödel”, “Sachertorte”, “Kaiserschmarrn”, “Apfelstrudel” und “Mozartkugel” von NÖM. Ebenfalls in der Sonderschau vertreten waren die Ennstal Milch mit “Landessa Ice Coffee”, Rauch (“Bio Trio”), Lifestyle Trading (“Mehrfrucht-Funktionsgetränk”), Furore Handelsgesellschaft (“Bregenzerwälder Käsesuppe”), Guschlbauer (“Aprikosen-Schiffchen”), Ölz (“Mini-Zopf”)und die Kärntnermilch mit dem Ramino Käsetraum, ein Schichtkäse aus Mascarpone und Edelpilzkäse.
Für Aufsehen und Kopfschütteln sorgten bei der Anuga unter anderem die “Innovationen” Pizza am Stiel und Salat in Scheiben. Viele Hersteller setzen trotz Bio- und Regionalitäts-Boom weiter auf schnell zubereitete Snacks. (Red./APA)