Die höchsten Wachstumsbeiträge kamen 2018 vom Lebensmitteleinzelhandel und hier von den Handelsketten, die mit einem Umsatzplus von 2,3 Prozent nominell knapp über dem Durchschnitt wachsen konnten und aufgrund ihrer Größe von 22,2 Mrd. € Umsatz den höchsten Beitrag zum Branchenwachstum lieferten. Dahinter folgten die Apotheken mit einem Umsatzwachstum von 3,9 Prozent nominell auf 4,8 Mrd. und die Baumärkte mit einem Plus von fünf Prozent auf 4,1 Mrd. €.
2019 bleiben die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel vorteilhaft, konstatiert der aktuelle Branchenbericht der UniCredit Bank Austria. Vor allem wächst die Konsumnachfrage weiterhin auf hohem Niveau, angetrieben von steigenden Beschäftigungszahlen und Lohnzuwächsen. Zudem können die Haushalte aufgrund des mäßigen Preisanstiegs höhere Realeinkommen erwarten. Bis April 2019 hat sich das Umsatzwachstum des Einzelhandels auf zwei Prozent nominell beziehungsweise ein Prozent real auch leicht beschleunigt.
Allerdings sind die Geschäftserwartungen der Händler im zweiten Quartal vorsichtiger geworden, weshalb kurzfristig mit keiner Beschleunigung der Einzelhandelsumsätze zu rechnen ist – voraussichtlich wird das Umsatzwachstum im Einzelhandel 2019 etwas schwächer als im Vorjahr ausfallen. „In erster Linie bremst die mit dem steigenden Wohlstand der Gesellschaft zunehmende Sättigung der Haushalte die Ausgaben für einzelhandelsrelevante Waren“, analysiert Günter Wolf, Ökonom der UniCredit Bank Austria. „Es handelt sich dabei um eine Entwicklung, die sich in allen europäischen Ländern beobachten lässt.“
Denn der Anteil einzelhandelsrelevanter Waren an den gesamten Konsumausgaben wird sukzessive kleiner; 2017 waren es 34%, 20 Jahre davor noch 39%. Die wachsende Zahl an Konsumenten, die mit der steigenden Bevölkerungszahl in Österreich noch zu erwarten ist, wird diesen Prozess jedoch verlangsamen.
Die Branche setzt aufs Einkaufserlebnis
Im europäischen Vergleich ist die österreichische Einzelhandelsbranche relativ wenig präsent: 2018 haben erst 22% der heimischen Einzelhändler mit mehr als zehn Beschäftigten, das sind rund 1.000 Unternehmen, Produkte über einen eigenen Webshop und/oder auf einem elektronischen Marktplatz an Konsumenten verkauft. Im EU-Durchschnitt waren es 26%, wobei die höchste Internetpräsenz die Einzelhändler in den Niederlanden und in Dänemark aufweisen, wo die vergleichbaren Anteile über 50% liegen.
Noch deutlicher zeigt sich das relativ geringe Online-Engagement des österreichischen Einzelhandels im Vergleich der Anteile der Onlineerlöse am Gesamtumsatz von drei Prozent respektive acht Prozent im EU-Durchschnitt. Inklusive der Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten erreicht die Zahl der Online-Shops im Einzelhandel laut Erhebungen der KMU Forschung Austria zwar mehr als 9.000; ihr Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz erreicht dennoch nur rund fünf Prozent beziehungsweise drei Mrd. €. Das heißt, dass inländische Anbieter weniger als die Hälfte der gesamten Online-Ausgaben der Österreicher, die mit etwa 7,5 Mrd. € beziffert werden, für sich lukrieren.
Das wichtigste Verbindungsstück
„Der Einzelhandel bleibt das wichtigste Verbindungsstück zwischen den Konsumgüterherstellern und den Konsumenten und vor allem ein zentraler Arbeitgeber in Österreich“, bestätigt Wolf. In der Branche arbeiten immerhin 335.000 Menschen bzw. knapp neun Prozent aller unselbstständig Beschäftigten im Land. Ihre Zahl ist in den letzten zehn Jahren sogar noch leicht gestiegen, wenn auch etwas langsamer als in der Gesamtwirtschaft. Der Anteil an der Gesamtbeschäftigung ist nur um geringe 0,3 Prozentpunkte gesunken.
Der Großteil der 20.000 neuen Jobs, die seit 2008 im Einzelhandel entstanden sind, sind Teilzeitarbeitsplätze. In der Branche arbeitet bereits mehr als die Hälfte aller unselbstständig Beschäftigten weniger als 36 Stunden pro Woche, in der Gesamtwirtschaft sind es vergleichsweise 28%. Darüber hinaus ist zumindest ein Fünftel der Teilzeitbeschäftigten nur geringfügig beschäftigt, das heißt sie arbeiten weniger als zwölf Stunden pro Woche.
Einkauferlebnisse, Preiskenner und Schnäppchenjäger
Nach wie vor ist in Österreich die Suche nach Schnäppchen weit verbreitet. 42% der Verbraucher suchen laut „Nielsen Consumers 2019” beim Einkaufen in ihrem gewohnten Geschäft gezielt nach Angeboten. Knapp ein Viertel (23%)gibt an, regelmäßig verschiedene Marken zu kaufen, wenn diese gerade im Angebot zu haben sind. Fast ebenso viele (20%) wechseln sogar das Geschäft bei jedem Einkauf, je nachdem, welches die attraktivsten Angebote hat. Durch die hohe Geschäftsdichte in Österreich ist dies vor allem in urbanen Gebieten relativ bequem möglich.
Auch bei den Preisen bleiben die Österreicher sensibel: 41% der Verbraucher geben an, zwar nicht unbedingt alle Preise zu kennen, Preisänderungen aber schon wahrzunehmen. 35% geben sogar an, dass sie die meisten Preise kennen und Veränderungen sofort wahrnehmen. Ganz wichtig für Händler: 69% der österreichischen Konsumenten kaufen zwar nach ihrer Einkaufsliste, trotzdem enden 61% der Kaufakte mit Zusatzkäufen im Einkaufswagen.
Und:Qualitätbleibt für die österreichischen Shopper weiterhin wichtig. 54% sind bereit, mehr für gute Qualität zu bezahlen. Während die Nachfrage nach Convenience weltweit stetig zunimmt, sind lediglich 17% der Käufer in Österreich bereit, mehr zu bezahlen, wenn sie sich damit (Lebens)Zeit sparen.
International gesehen, scheint es inzwischen zu einer Renaissance des stationären Handels zu kommen: Ein von JLL (Jones Lang LaSalle, Chicago/USA) veröffentlichter Bericht sagt voraus, dass Online-Einzelhändler in den USA über die kommenden fünf Jahre verteilt 850 Filialen eröffnen werden. Das dokumentiert den Stellenwert, welcher der physischen Präsenz der Marken beigemessen wird. „Jeder behauptet, dass der stationäre Handel stirbt, aber die E-Commerce-Marken drängen ziemlich schnell und aggressiv in den stationären Bereich“, sagt Taylor Coyne, Forschungsleiter Bereich Retail bei JLL.
Ein heutzutage immer öfter zu vernehmendes Vorurteil lautet darauf, dass im stationär bestens ausgestatteten Erlebnis- und Beratungs-Store gustiert wird – und online gekauft. Diese Verhaltensform betrifft aber vor allem jene Händler, die primär stationär agieren und online herumtapsen. Vice versa wird der Erfolg mitunter flott umgesetzt. Ein weiteres Beispiel aus den USA: Warby Parker, ein Online-Anbieter für Brillen, eröffnete seine erste stationäre Fläche im Jahr 2013 (drei Jahre nach der Gründung) und betreibt mittlerweile über 90 Läden in den USA und Kanada. Er wird gern als eine der ersten rein digitalen Marken angeführt, die verstanden haben, dass sich Online und Offlineergänzen. Und auch was den Food-Bereich betrifft, so werden stationär mehr und mehr Potenziale ausgeschöpft und z.B. „Lebensmittel in der Fleisch- und Käseproduktion unmittelbar erlebbar gemacht“, wie es Top-Experte Ulrich Spaan (EHI) dieser Tage auf der EuroShop 2020 formulierte.