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RollAMA: Einkaufsverhalten im 1. Halbjahr 2023 in Österreich – Qualität und Regionalität gegenüber Preisen und Aktionen

Die RollAMA-Analyse für das erste Halbjahr 2023 zeigt, dass die Einkaufsmengen in österreichischen Haushalten aufgrund gestiegener Preise gesunken sind. Qualität und Regionalität bleiben wichtige Kriterien beim Lebensmitteleinkauf, obwohl Preise und Aktionen an Bedeutung gewinnen. Besonders bei Eiern, Gemüse und Fleisch ist Qualität entscheidend. Die Analyse zeigt auch eine Zunahme von Eigenmarken und Aktionsprodukten im Lebensmitteleinzelhandel.

In den Einkaufskörben der heimischen Haushalte fanden sich im ersten Halbjahr 2023 weniger Produkte als im Vorjahr. Die Konsumentinnen und Konsumenten reagieren damit auf die Teuerungen. Bio, hohe Qualität und Nachhaltigkeit spielen eine nach wie vor wichtige Rolle beim täglichen Einkauf, wenngleich Preis bzw. Aktionen immer häufiger in den Vordergrund rücken. Vor allem bei Eiern, Gemüse und Fleisch ist Qualität ausschlaggebend für die Kaufentscheidung.

Das Konsumverhalten unterlag in den vergangenen drei Jahren starken Schwankungen und Einflüssen, die man bisher in diesem Ausmaß nicht kannte.

„Während die Corona-Krise im Grunde zu einer Steigerung der Wertschätzung von Lebensmitteln geführt hat, lenkte die Inflation den Fokus wieder stärker auf Preise und Aktionen“, fasst AMA-Marketing-Geschäftsführerin Christina Mutenthaler-Sipek kurz zusammen.

Wie sich diese im Einkaufsverhalten niederschlägt, zeigen die aktuellen RollAMA-Daten des ersten Halbjahres 2023 sowie eine Motivanalyse der AMA-Marketing. Die sich daraus ableitenden Trends hat Food-Trend-Expertin Hanni Rützler erfasst.

Einkaufsmengen in Österreich sinken, Ausgaben steigen aufgrund gestiegener Preise

Die Einkaufsmengen der heimischen Haushalte sanken um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr und liegen damit erstmals sogar leicht unter dem Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie 2019 (Chart 1).

Die Gründe dafür sind einerseits ein höherer Außer-Haus-Konsum nach Ende aller Restriktionen, aber auch eine spürbare Zurückhaltung beim Einkauf aufgrund der inflationsbedingt höheren Preise.

Diese führen auch dazu, dass die Konsumentinnen und Konsumenten ihre Einkäufe gezielter planen und mengenmäßig pro Einkauf weniger mitnehmen (Chart 2).

Die Ausgaben für Frischwaren stiegen im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um rund zehn Prozent auf rund 3,96 Mrd. Euro; verglichen mit 2019 sind die Ausgaben für Lebensmittel nun um ein Viertel höher (Chart 3).

Käse, Fertiggerichte und Tiefkühlprodukte verzeichnen Zuwächse im Verkauf

Vergleicht man die Entwicklung in den einzelnen Warengruppen mit jener der Vor-Corona-Periode, so zeigt sich, dass Fertiggerichte (+13 %), Tiefkühl-Obst und -Gemüse (+7 %) sowie Käse (+6,8 %) im ersten Halbjahr 2023 zu den mengenmäßigen Gewinnern gehören. Das entspricht dem Trend zu Convenience, also dem Wunsch nach schnellem Genuss und weniger Aufwand bei der Zubereitung von Speisen. Gegenüber dem Vorjahr 2022 büßten aber auch diese drei Warengruppen an Absatz ein (Chart 4).

Preissteigerungen in verschiedenen Lebensmittelkategorien

Im zweiten Quartal 2023 stiegen die Preise über den gesamten RollAMA-Warenkorb im Vergleich zum Vorjahr um 11,3 Prozent. Verhältnismäßig geringer fielen die Preissteigerungen mit rund 9 Prozent bei Fleisch und Wurst aus (Chart 5).

Diskonter und Supermärkte gewinnen Marktanteile

Leichte Verschiebungen gab es in den Marktanteilen in den unterschiedlichen Vertriebsschienen im Lebensmitteleinzelhandel (LEH): Diskonter und Supermärkte erhöhten ihre Marktanteile auf 29,7 bzw. 45,3 Prozent und gewinnen damit zu Lasten der Verbrauchermärkte und sonstiger Einkaufsquellen* (Chart 6).

Diese Entwicklung zeigt einerseits, dass One-Stop-Shopping eine Rolle spielt, aber auch, dass derzeit weniger Großeinkäufe getätigt werden. Ein Grund könnte sein, dass gerade in ruralen Gebieten die Menschen auf längere Autofahrten zu großen Verbrauchermärkten verzichten. *z.B. Fachhandel, Direktvermarktung (Ab-Hof, Bauernmärkte, etc.)

Anstieg von Aktions- und Eigenmarkenanteilen

Als Reaktion auf die steigenden Preise forciert der Lebensmittelhandel seine Eigenmarken und setzt verstärkt auf Aktionen. Unter den in der RollAMA erfassten Produktgruppe (exklusive Fleisch, Obst, Gemüse und Kartoffeln sowie Bedienungsware) liegt der Handelsmarkenanteil bei 65 Prozent (Chart 7).

Mittlerweile fließt auch jeder Dritte im LEH ausgegebene Euro in ein Aktionsprodukt – Butter und Fleisch werden sogar über 40 Prozent in Aktion gekauft (Chart 8).

Bio-Lebensmittel bleiben gefragt, besonders in Obst und Gemüse

Insgesamt wurden 2022 in Österreich Bio-Lebensmittel (über alle Vertriebsquellen hinweg) im Wert von rund 2,7 Mrd. Euro abgesetzt, was 500 Mio. Euro mehr als vor der Corona-Krise entspricht (Chart 9).

In dieser Zeit bekam Bio einen weiteren Schub – die Menschen begannen sich mehr mit Lebensmitteln zu beschäftigten und lernten deren Wert schätzen. Außerdem stand das Thema Gesundheit im Fokus – für viele ein wichtiges Kaufmotiv für Bio-Produkte.

Die Bio-Frischwarenumsätze (exkl. Brot und Gebäck) betrugen im Lebensmitteleinzelhandel laut RollAMA-Haushaltspanel im ersten Halbjahr 2023 rund 460 Mio. Euro, was einem Zuwachs von sechs Prozent entspricht. Die eingekauften Mengen sanken hingegen um ebenfalls sechs Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode (Chart 10).

Die Bio-Marktanteile blieben stabil und erreichten im ersten Halbjahr 2023 den Vorjahreswert 11,5 Prozent (Chart 11).

Bio-Entwicklungen im Detail

Je nach Bio-Warengruppe zeigt sich eine abweichende Entwicklung: Bei Milchprodukten geht die Tendenz leicht bis mäßig nach unten, während die Bio-Anteile im Fleischbereich bei sieben Prozent stagnieren. Bei Eiern entfielen im ersten Halbjahr 2023 ein Fünftel der Ausgaben auf Bio-Produkte, was dem Wert vom Vorjahr entspricht. Von den wirtschaftlichen Herausforderungen unbeeinflusst, wächst der Markt für Bio-Obst auf 17 Prozent und von Bio-Gemüse auf 24 Prozent Umsatzanteil (Chart 12).

Ein Effekt, der Bio seit Beginn der Inflation zu Gute kam, waren die immer geringeren Preisunterschiede zu konventionellen Produkten. Mit plus 12 Prozent lagen die Preissteigerungen eines Bio-Frischewarenkorbs unter jenem mit gleichartigen konventionellen Produkten (+14 %).

Motivanalyse: Welche Faktoren beeinflussen den täglichen Einkauf?
Im Rahmen der RollAMA-Motivanalyse wurde diesmal die Bedeutung von Regionalität und Qualität im Verhältnis zu Preisen und Aktionen untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich die Kriterien für den täglichen Einkauf angesichts der Preiserhöhungen verschieben und damit eine direkte Auswirkung auf das Kaufverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher haben.

Motivanalyse zeigt, dass Qualität und Regionalität wichtiger sind als niedrige Preise

Frische (83 %) und hohe Qualität (65 %) stehen zwar nach wie vor an erster bzw. zweiter Stelle bei der Frage nach den Kriterien für die Kaufentscheidung, gefolgt von Aktionen, die für 58 Prozent der Befragten relevant sind. Sie sind jedoch wichtiger als konstant günstige Preise. Das weist darauf hin, dass rabattierte Preise vor allem eine psychologische Wirkung haben und der Wert von Lebensmitteln nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. (Chart 13).

Allerdings geben die befragten Konsumentinnen und Konsumenten an, dass der Preis bzw. Aktionen in ihrem tatsächlichen Einkaufsverhalten insgesamt wichtiger sind als die Qualität: 58 Prozent sagen, dass sie in Summe eher auf den Preis oder Aktionen achten als auf die Qualität (42 %) der Lebensmittel. Im Vergleich zu einer Motivanalyse aus 2021 ist das eine starke Verschiebung: Damals gaben 60 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, eher auf Qualität zu achten als auf den Preis (40 %) (Chart 14).

Allen voran Familien und Mehrpersonen-Haushalte schauen stärker auf den Preis (Chart 15).

Qualität ausschlaggebend für Kauf von Eiern, Gemüse und Fleisch
In der Motivanalyse wurde außerdem erfragt, in welchen Frischewarengruppen/bei welchen Lebensmitteln Qualität eine besonders große Rolle spielt und damit wichtiger ist als der Preis. Hier rangieren Eier und Obst, Gemüse sowie Erdäpfel ganz oben mit jeweils 62 Prozent, gefolgt von Fleisch mit 61 Prozent und Brot und Gebäck mit 55 Prozent (Chart 16).

Regionalität bleibt ein wichtiger Trend, der für knapp 60 Prozent der Befragten an Bedeutung gewonnen hat. Ebenso dringen langfristig Kriterien der Nachhaltigkeit wie Tierwohl und umweltfreundliche Verpackung ins Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten (Chart 17).

Wie sich regionale Produkte auch künftig am Markt behaupten können hat Food-Trend-Expertin Hanni Rützler untersucht.

Food Trend Report: Bedeutung von Regionalität

„Seit den 1980er-Jahren sind es vor allem zwei Entwicklungen, die zur Rückbesinnung auf regionale Produkte und Küchen beitrugen: Die Globalisierung der Esskulturen in Gestalt von Pizza, Pasta, Burger, Döner und Co. im kulinarischen Alltag sowie die zunehmende Industrialisierung und Standardisierung der Lebensmittelproduktion, die mit Qualitätsverlusten einherging und viele Konsumentinnen und Konsumenten verunsicherten“, sagt Hanni Rützler.

Als Reaktion darauf wurden die regionale Herkunft von Lebensmitteln sowie traditionelle Herstellungs- und Zubereitungsarten zunehmend als Qualitätskriterien wahrgenommen. Implizit hat sich das Qualitätsversprechen des Local-Food-Trends jedoch von Anfang an nicht ausschließlich auf die geografische Nähe zwischen Produktions- und Konsumort bezogen.

Höhere Qualität, mehr Nachhaltigkeit und bessere Sozialverträglichkeit hinsichtlich der Produktion und des Vertriebs, aber auch Saisonalität spielen in der Wahrnehmung der Konsumenten und Konsumentinnen ebenso eine Rolle wie die ökonomische Unterstützung von Landwirtinnen und Landwirten sowie Produzentinnen und Produzenten vor Ort.

Wege für die Vermarktung

Eine erfolgreiche Vermarktung regionaler Lebensmittel braucht Rützler zufolge in Zukunft eine noch deutlichere Präzisierung und Kommunikation der Attribute. Dabei sollten sich Produzenten und Produzentinnen regionaler Lebensmittel jeweils auf ihre spezifischen Stärken konzentrieren. Sie sollten sich nicht primär fragen, was der Markt, den es als einheitlichen gar nicht gibt, braucht, sondern wie sie mit ihren jeweiligen Produkten auf die zukünftigen Herausforderungen, wie etwa den Klimawandel und die sich verändernden Bedürfnisse diverser Zielgruppen am besten reagieren können.

Neue Kampagne „Das hat einen Wert“ betont den Wert von regionalen

Welchen Arbeitsauftrag diese Entwicklungen für die AMA-Marketing bedeuten, schildert Geschäftsführerin Christina Mutenthaler-Sipek:

„Es gilt die Wertschätzung für heimische Lebensmittel zu erhalten bzw. zu erhöhen. Das machen wir mit unserer neuen Kampagne, die letzte Woche gestartet ist. Damit wollen wir als Gegenpol zur Preissensibilität den Wert von Lebensmitteln in den Mittelpunkt stellen.“

Die neuen AMA-Marketing-Spots zeigen, dass viele Werte in der regionalen Landwirtschaft stecken: Regionalität, Nachhaltigkeit und Saisonalität. Auch geht es um die Zusammenhänge zwischen Naturlandschaft und Tourismus.

„Wenn keine Grünlandwirtschaft mehr möglich ist, dann haben wir auch keine schöne Kulturlandschaft, keine Almen mehr. Es geht um dörfliche und familiäre Strukturen, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft – bis hin zum Ernährungswert. Und all das heben wir in unserer Kampagne unter dem gemeinsamen Slogan ‚Das hat einen Wert‘, hervor“, erklärt Mutenthaler-Sipek.

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