Gars am Kamp: UNESCO erklärt dortige Fleischer-Zunft zum Welterbe
Ausgesprochen groß war die Freude bei der über 500 Jahre alten Zunft der Fleischhauer und Liebfrauenbruderschaft zu Gars am Kamp, als die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO im Herbst 2022 bekannt wurde. Ende März war es nun so weit, der Generalsekretär der Österreichischen UNESCO-Kommission machte sich höchstpersönlich auf den Weg nach Gars, um das Verleihungsdekret im Rahmen einer feierlichen Feststunde an Zunftmeisterin Regina Waldum zu übergeben. Trotz formeller Aufhebung aller Zünfte blieb die Fleischhauerzunft zu Gars als einzige und älteste in Niederösterreich bestehen. Bis zum heutigen Tag haben sich auch die Pflege der gemeinscha!lichen Bedeutung und der überlieferten Bräuche erhalten. Zu diesen Bräuchen gehören der jährlich stattfindende Zunfttag mit dem traditionellen Würstelessen und der Gedenkmesse für alle verstorbenen Mitglieder, die Verleihung von Ehrensiegeln und dem Goldenen Ehrenring, die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession mit dem Vorantragen der Zunftfahne sowie das Verteilen von gesegneten Ehrenkränzen an Zunftmitglieder und der Zunft nahestehende Persönlichkeiten. Spenden werden stets karitativen Zwecken zugeführt.
Die Fleischhauerzunft hat eine geschlossene Mitgliederzahl von zwölf Personen, die sich aus Meister:innen, Gesellen und Eigentümern von ehemals radizierten Häusern zusammensetzt. Erstmals in der Geschichte der Zunft wird diese von einer Frau geführt – Regina Waldum ist seit 2020 Zunftmeisterin und folgte damit Innungsmeister Josef Höchtl, der 2020 nach mehr als 50 Jahren an der Spitze der Zunft verstarb.
Pflege und Wahrung der Tradition
Die Pflege und Wahrung der mit der Zunft verbundenen Tradition wird bis heute durch die Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen sowie die Ausstellung der Zunftgegenstände wie etwa der Zunfttruhe, auf der an der Innenseite das Jahr 1535 datiert ist, der alten Zunftfahne, diverser Siegel, Bücher und Dokumente im Garser Zeitbrücke-Museum sichergestellt. Im Museum ist der Zunft ein eigener Raum gewidmet, wo all diese Utensilien für die Bevölkerung zu sehen sind.
Unter „Immateriellem Kulturerbe“ versteht die UNESCO Künste, gesellschaftliche Praktiken, Bräuche, Feste, Naturwissen oder Handwerkstechniken, die von Menschen ausgeübt, weitergegeben und weiterentwickelt werden. 2022 wurden zehn neue Elemente in das nationale UNESCO-Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen, die eine bereichernde Ergänzung zur Vielfalt gelebter Praktiken darstellen. Insgesamt sind im österreichischen Verzeichnis bereits knapp 160 Traditionen gelistet.
Zahlreiche Ehrengäste
Zunftmeisterin Regina Waldum bedankte sich besonders beim Geschä!sführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Prof. Dr. Reinhard Kainz, bei der Leiterin des Institutes für angewandte Gewerbeforschung, DI Heidrun Bichler-Ripfel, der Historikerin Mag. Sylvia Weber und Museumsdirektor Mag. Anton Ehrenberger für ihre Unterstützung. Besonders froh war sie, dass ihr Vorgänger Josef Höchtl bereits 2019 eine Chronik erstellen hat lassen und somit viel Vorarbeit bereits getan war. Als weitere Ehrengäste konnte die Zunftmeisterin den Generalsekretär der österreichischen UNESCO-Kommission Mag. Martin Fritz, Bürgermeister von Gars, Ing. Martin Falk begrüßen, der übrigens auch selbst ein Zunftmitglied ist. Darüber hinaus den Bezirkshauptmann Mag. Stefan Grusch, den Landtagsabgeordneten Ing. Franz Linsbauer und Landtagsabgeordneten a. D. Josef Wiesinger, den Landesinnungsmeister der Fleischer Niederösterreich Jakob Ellinger, Pfarrer Mag. Robert Bednarski, die Horner Bezirksstellenobfrau der Wirtschaftskammer Niederösterreich Margarete Jarmer, den Leiter der Arbeiterkammer Horn Andreas Riedl und die Vizebürgermeisterin von Gars Paula Uitz.
Festansprache und Laudatio
Zunftmeisterin Regina Waldum betonte in ihrer Festansprache: „Die Eintragung der Zunft der Fleischhauer und Liebfrauenbruderschaft Gars am Kamp in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO stellt eine hohe Auszeichnung dar und ist zugleich eine große Motivation für alle bestehenden und kommenden Mitglieder, die Tradition der Zunft noch lange weiterzuführen.“
Der Generalsekretär der österreichischen UNESCO-Kommission Mag. Martin Fritz hielt in seiner Laudatio folgendes fest: „Es geht beim immateriellen UNESCO-Kulturerbe darum, das Leben in seiner ganzen Breite und Vielfalt anzuerkennen. Die UNESCO ist als Unterorganisation der UNO ein Bildungs- und Friedensprojekt. Entscheidend für die Aufnahme ist die lebendige Praxis und der Erhalt der Tradition. Diese Kriterien sind bei der Zunft der Fleischhauer und Liebfrauenbruderschaft zu Gars erfüllt, daher freuen wir uns, diese Institution in die Liste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes aufzunehmen.“ Mit dem traditionellen Würstelessen klang der Festakt würdig aus.
Autor: HaRo