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Gottfried „Götz“ Rajchl: Ein bunter Hund hat uns verlassen

Gottfried „Götz“ Rajchl ✝ Ein sehr persönlicher Nachruf seines langjährigen Kollegen Johannes Rottensteiner.

Gottfried „Götz“ Rajchl, langjähriger Chefredakteur (1986 bis 2000) der „Österreichischen Fleischer-Zeitung“ („ÖFZ“) ist am 21. November 2020 im 77. Lebensjahr, 13 Tage nach seinem 76. Geburtstag von uns gegangen. Seine Selbstdefinition als „bunter Hund“ trifft die schillernde Persönlichkeit, die er zweifelsohne war, wohl am besten. Unvergessen bleiben seine grellen Outfits, schwarzer Anzug, gelbe Socken, weiße Schuhe, die er zu vielen Innungstagungen gerne trug, der Motorroller samt offenem Helm mit dem er schon einmal auftauchte, sein überbordender Nikotinkonsum, seine sonore Stimme, seine weiß-grauen ungebändigten langen Haar samt Vollbart und selbstverständlich die Art, wie er Fachzeitung dachte.

Schillernd und radikal

Keine geringere als die deutsche „Bild-Zeitung“ stand seiner Vorstellung einer modernen, boulevardesk angehauchten „Fleischer-Postille“ Pate, als er die beliebte Fachzeitung 1986 über- nahm und einer radikalen neuen Aufmachung unterzog. Kein trockenes Branchenblatt mehr, übervoll mit leblosen Informationen, lieblos rübergebracht, wie es manche Fachzeitungen bis heute sind. Nein, die „ÖFZ“ wurde ein Spiegelbild seiner schillernden Persönlichkeit. Manchmal radikal, stets angriffig, häufig polarisierend, zu jeder Zeit emotionalisierend, quicklebendig.

Hassliebe mit Kuntner

Die Fleischer haben ihre Fachzeitung, die auch zum Wursteinwickeln hervorragend geeignet war, geliebt oder gehasst. Letzteres vor allem Fleischerfunktionäre, die bei Götz Rajchl nie Schonzeit hatten. Kein Bundes- und Landesinnungsmeister war vor ihm sicher, wenn der Herr Chefredakteur auf der Spur einer Story war. Legendär ist die Hassliebe zwischen Rajchl und dem damaligen Wiener Langzeit-Innungsboss Johann Kuntner, der aber selbst kritischste Artikel, Kommentare oder Karikaturen einer Nichterwähnung in der Fachzeitung vorzog. Mindestens ebenso legendär war seine Schlagzeile zu einem Mega-Fleischskandal der 80er Jahre, in den ein prominenter Wiener Fleischer, gleichzeitig Betreiber der Kahlenberg-Gastronomie, namens Albert Buschek involviert war: „Mein Gott Bertl!“ sprangen einen die Lettern der damals aktuellen Titelseite der „ÖFZ“ geradezu an.

Das Götz-Zitat

Langweilig wurde dem Chronisten in der elfjährigen gemeinsamen beruflichen Zeit mit Rajchl nie, Götz war für jeden Schabernack zu haben, protestierte schon einmal gegen die fortschreitende Digitalisierung der Medienwelt, indem er monatelang tagaus, tagein Diskettenrohlinge begleitet von einem aus der Weltliteratur bekannten Fluch, auch als Götz-Zitat bekannt, aus dem Bürofenster auf das Vordach der benachbarten Druckerei schleuderte.

Als er 1989 im Zuge eines Nach-Tagungsausflugs im Rahmen der Bundestagung mit den Fleischern in die DDR reiste und der Zöllner ob seiner journalistischen Profession Rajchl nach seiner Funktion befragte, fand Götz die optimale, der landesüblichen Diktion entsprechende Bezeichnung und Antwort: „Ich bin der Chefideologe der Fleischer!“

Musik und Tschick

Gottfried Rajchl hatte die journalistische Grundausbildung beim Volksblatt genossen, seine große Liebe galt auch stets der Popmusik, „Götz Popnews“ hieß seine Kolumne im Volksblatt, bei Ö3 moderierte er einmal eine Popsendung, und es wäre nicht Götz Rajchl gewesen, wenn er nicht den auf Ö3 verpönten Schlagerstar Andy Borg ins Programm gemogelt hätte. Beim Wirtschaftsverlag machte er neben seiner geliebten „ÖFZ“ ein Medium für die Musikbranche und verantwortete zudem das Lehrlingsmagazin„WIRLehrlinge“.
Die letzten Jahre hatte sich Gottfried Rajchl sehr zurückgezogen, der Musik und dem cineastischen Genre stets zugewandt rauchte er bis zu seinem letzten Tschick wie ein Schlot. Aber so war er, so hat er gelebt, und so wurde er geschätzt.
Unsere Anteilnahme gilt seinen Hinterbliebenen. Irgendwann sehen wir uns wieder, wenn es die Rauchschwaden erlauben …

Autor: Johannes Rottensteiner

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