Thermobil
Handwerk & Unternehmen

Karl Schmiedbauer – Aufsichtsratsvorsitzender der Wiesbauer Holding

Am 6. Oktober 2023 hat Karl Schmiedbauer im 80. Lebensjahr im Kreis seiner Familie für immer die Augen geschlossen. Mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Wiesbauer Holding hat uns einer der letzten ganz Großen der Österreichischen Fleischbranche verlassen. Er hat die die glorreichen Zeiten dieses Wirtschaftszweiges mitgeprägt und auch den langsamen Niedergang der Fleischwirtschaft erleben müssen. Wiesbauer aber hat er zu einem Paradebetrieb geformt. Ein persönlicher Nachruf von Johannes Rottensteiner!

Karl Schmiedbauer war Pionier und Visionär.

Über 45 Jahre hat er mit Leidenschaft und Innovationsgeist Wiesbauer und die heimische Wurstlandschaft ganz wesentlich geprägt und als Geschäftsführer die Unternehmensgruppe zu dem gemacht, was sie heute ist. Ihm gelang es, Wiesbauer über die Grenzen hinaus als richtungsweisenden Vorzeigebetrieb der Branche zu etablieren und mit kaufmännischem sowie strategischem Geschick Großes zu bewegen.

Karl Schmiedbauer war aber auch eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Lebensmittelwirtschaft und über viele Jahre Obmann des Verbandes der österreichischen Fleischwarenindustrie. Er kannte die Fleischbranche in- und auswendig, hat diese nachhaltig mitbestimmt und sich stets mit all seinem Elan für diese eingesetzt. Ungezählt sind seine Auszeichnungen: Exemplarisch erwähnt seien hier das große Verdienstzeichen der Republik Österreich, das Silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien und der Titel „Unternehmer des Jahres“ eines renommierten LEH-Fachmagazins.

Karl Schmiedbauers steiler Aufstieg bei Wiesbauer

Nach seiner Lehre zum Industriekaufmann in der Firma Neumann Fleischwaren in Wien-Meidling startete Karl Schmiedbauer bereits im Jahr 1976 seine berufliche Laufbahn bei Wiesbauer.

An der Seite von Maria Wiesbauer, der Witwe des Firmengründers, respektvoll von allen „Frau Chef“ genannt, stieg er 1988 in die Geschäftsleitung auf und führte das Unternehmen in eine überaus erfolgreiche
Zukunft. Der Höhepunkt seiner an Erfolgen ausgesprochen reichen Schaffenszeit war sicherlich die Neuerrichtung des Stammhauses in Wien-Inzersdorf und die damit verbundene Absiedelung vom ursprünglichen Unternehmensstandort in Wien-Hietzing im EU-Beitrittsjahr 1995.

Als Eigentümer gründete er im Jahr 2010 die Wiesbauer Holding AG und übergab die Geschäftsführung an seinen Sohn Thomas, der seither den Familienbetrieb mit derselben Leidenschaft und Passion erfolgreich leitet. Bis zum Schluss war Karl Schmiedbauer allerdings als Präsident des Aufsichtsrates der Wiesbauer Holding AG tätig. Ich durfte Karl Schmiedbauer in den letzten Jahren intensiv begleiten, plante er doch zu seinem 80. Geburtstag eine Autobiografie herauszugeben. So haben wir Hunderte Stunden miteinander verbracht, in denen er mir ausführliche Einblicke in sein unglaublich faszinierendes Leben gewährt hat, denn nur so ist es möglich, dieser Persönlichkeit gerecht zu werden.

Schmiedbauers beeindruckende Expertise

Auch beruflich hatte ich in meinen 20 Jahren als Chef der „Österreichischen Fleischer-Zeitung“ und seit 2009 mit dem Genuss-Magazin „fleisch.pur“ sowie dem Fachmagazin „Das LebensmittelHandwerk“ regelmäßige Treffen mit Karl Schmiedbauer. Gerne brachte ich ihm einige seiner Lieblings-Fleischschmankerln zu diesen Zusammenkünften mit, wie etwa den gepressten Kalbskopf. Mehr als beeindruckt hat mich Karl Schmiedbauer mit seiner Wurst-Fachexpertise. Ihm konnte kein Fleischermeister ein X für ein U vormachen.

Noch heute erinnere ich mich an eine Episode: Die ehemals bekannte Dauerwurstsorte „Mährische“ ist bis auf eine Handvoll Fleischer, die sie hierzulande noch herstellen, seit langer Zeit eigentlich aus den Regalen verschwunden. Auch bei Wiesbauer längst nicht mehr im Sortiment. Also wollte ich Karl Schmiedbauer auf die Probe stellen und hatte bei einem Treffen eine Stange Mährische als Präsent dabei. Karl Schmiedbauer kostete und lächelte: „A Mährische, wie schön. Die habe ich schon mehr als 20 Jahre nicht mehr gegessen.“ Auch das war Karl Schmiedbauer. Ein Mensch, den ich einerseits als knallharten Spitzenmanager erleben durfte, auch als Patriarch der alten Schule, gleichzeitig aber als ausgesprochen sozialen „Firmenvater“, der unter anderem auch bei der Gewerkschaft höchsten Respekt genossen hat. Ein Vertreter der Arbeitnehmer sagte einmal zu mir: „Termine beim Wiesbauer sind zwar nicht immer einfach, aber wir werden jedes Mal ausgesprochen menschlich behandelt.“

Karl Schmiedbauer beindruckte auch mit seiner punktgenauen Wurst-Fachexpertise.
© Beigestellt

Das hatte sicherlich auch mit der Herkunft Karl Schmiedbauers zu tun, der einem SPÖ-geprägten Elternhaus entstammte, sein Vater Karl Schmiedbauer sen. war einst sogar Bezirksvorsteher in Wien-Alsergrund.

Nach der Übergabe der Geschäftsführung zog sich Karl Schmiedbauer immer mehr aus dem Unternehmen zurück und liebte es, mit seiner Frau Anita regelmäßig Weltreisen zu unternehmen. Das hinderte ihn aber nicht daran, weiter einer der emsigsten Produkterfinder des Unternehmens zu sein. So geht das Erfolgsprodukt „Praterstelze“ auf eine Eingebung zurück, die Karl Schmiedbauer auf einem Trip in einer Wüste hatte: Er bekam plötzlich Lust auf eine Stelze. Aber nur auf eine kleine Portion. So entstand die Idee, eine entbeinte Stelze umhüllt von einer knackigen Kruste zu entwickeln, die man sowohl kalt als auch warm verzehren kann und die sich slicen lässt.

Großzügig war Karl Schmiedbauer auch: Jeder Gast im Hause Schmiedbauer erhielt am Ende seines Besuches ein „Pschoadbinkerl“, eine wunderbare Jause im Sackerl. Dabei durfte ein „Bunkerl Bergsteiger“ ebenso wenig fehlen wie der köstliche Wurzelspeck. Ein großes Herz für Kunst und Kultur hat Karl Schmiedbauer auch gehabt. Als Präsident des Schubertbundes pflegte er das Vermächtnis des großen Österreichischen Komponisten Franz Schubert, der ebenso ein Kind aus Wien-Alsergrund war. Nach dem viel zu frühen Tod seiner geliebten Frau Anita verlor Karl Schmiedbauer leider zunehmend die Lust am Leben. Er hinterlässt seine Kinder Sonja und Thomas sowie die Enkelkinder Benny, Julia, Conny, Johnny und Max.

Aufrichtiges Beileid

Karl Schmiedbauers Persönlichkeit, sein Innovationsgeist und seine Leidenschaft für Genuss werden im Unternehmen Wiesbauer für immer tief verankert sein.

Unser Mitgefühl gilt der Familie und allen, die Karl Schmiedbauer nahegestanden sind.

Fleisch & Co – die österreichische Fleischerzeitung

Das Fachmagazin für Fleischer, Fleischindustrie und fleischverarbeitende Direktvermarkter bietet Fachinformationen von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zur Vermarktung von Fleisch und Fleischprodukten. Haben Sie interessante Themen für die Branche? Wollen Sie Kooperationspartner werden? Dann melden Sie sich bei uns.

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"

Adblock erkannt

Bitte deaktiviere den Adblocker, um unsere Website zu besuchen