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„Für billige Lebensmittel bezahlt immer irgendwer die Zeche“

Nicht deklarierte Pferdefleischanteile in Lebensmitteln bringen die Fleischbranche europaweit in Bedränginis – in Österreich sind bisher vier Fälle bekannt

Dass Pferdefleisch per se ungesund ist, kann man nun ja nun wirklich nicht behaupten. So ist es weniger fett als andere Rotfleischarten, verfügt über einen geringen Cholesteringehalt sowie über einen beachtenswerten Anteil an Mineralien wie Eisen oder Calium. Aber um den Gesundheitswert von Pferdefleisch geht es im aktuellen Skandal natürlich nicht.



Es geht um Betrug am Konsumenten, da die Deklarationspflicht verletzt wurde. 17 der 25 EU-Staaten sind bisher betroffen, bis Redaktionsschluss wurden allein in Deutschland 67 Fälle und zumindest vier in Österreich bekannt. Darunter die „Tortelloni Rindfleisch“ des deutschen Herstellers Gusto GmbH, das tiefgekühlte, in Deutschland produzierte Fertiggericht „Lasagne Bolognese“ der Zielpunkt-Eigenmarke „Jeden Tag“ und dem Fall des Wiener Gastronomiebetriebes Lilla Gastronomie KG, in der in einem Rind-Kalb-Puten-Kebabspieß Pferde-DNA gefunden wurde.


Fälle in Kärnten

Die Branche am meisten getroffen hat wohl der Fall des Kärntner Fleischereibetriebes Josef Freitag (St. Georgen/Lavanttal), in dessen „Kärntner Hauswürstl“ ein Anteil von 18 Prozent an nicht deklariertem Pferdefleisch entdeckt wurde. In der „Lavanttaler Bauernwurst“, ebenfalls von Freitag produziert und verkauft, wurde sogar ein Anteil von 27 Prozent festgestellt. Hieß es zu Beginn der Affäre noch, ein Lieferant hätte ihn mit fehlerhaft gekennzeichnetem Fleisch versorgt, ist Josef Freitag mittlerweile laut Agenturmeldungen geständig, wissentlich Pferdefleisch in diesen Produkten verarbeitet zu haben. Bis Redaktionsschluss war seitens der Staatsanwaltschaft noch in Prüfung, welcher Tatbestand hier erfüllt sein könnte. Für die Kärntner Staatsanwältin Dr. Gabriele Lutschounig drängt sich etwa der des schweren gewerbsmäßigen Betrugs auf. Ein Delikt, das mit ein bis zehn Jahren Haftstrafe geahndet wird.



Freitags Anwalt Dr. Franz Großmann dazu: „Von Betrug kann nach unserer Ansicht keine Rede sein.“ Dafür hätte minderwertiges Fleisch verwendet werden müssen oder sein Mandant einen erheblichen Kostenvorteil haben müssen. Schließlich sei hochqualitatives Pferdefleisch verwendet worden und dem Konsumenten kein Schaden entstanden.



Und wie ist es überhaupt dazu gekommen? Seinem Anwalt zufolge habe Freitag im Sinne der Produktqualität das Pferdefleisch bereits vor einigen Jahren erstmals beigemengt. Hätte er anschließend darauf verzichtet, wäre das geschmacklich aufgefallen und er wäre in den Supermärkten nicht mehr gelistet worden. Bezogen habe Freitag das Pferdefleisch übrigens aus der Steiermark und aus Deutschland.



Damit tanzt das Kärntner Unternehmen dennoch im Reigen des Pferdefleischskandals aus der Reihe. Denn in der Mehrheit der europaweiten Fälle waren industrielle Hersteller verwickelt, die das Fleisch aus Rumänien und Polen bezogen haben – Freitag bezog es aus Österreich und Deutschland. Im Fall der vom weltgrößten Lebensmittelhersteller Nestle zurückgerufenen Fertigprodukte weisen die Spuren bis nach Italien. Dass hier im Laufe der nächsten Tage europaweit noch weitere, unsaubere Details bekannt werden, liegt auf der Hand. Übrigens auch in Kärnten. Denn laut einer (nicht näher bestätigten) Meldung des ORF-Teletext, wurde in unserem südlichsten Bundesland Anfang dieser Woche Produkte aufgefunden, die ausschließlich aus – nicht deklariertem – Pferdefleisch bestanden. Um welchen Erzeuger und welche Produkte es sich handle, wurde nicht bekannt.


Wahlkampfgetöse

Dass sich Österreich im Wahlkampf befindet, macht die Sache für die Branche nicht gerade leichter. Schnell überschlagen sich Forderungen, die mitunter am Ziel vorbeigehen. So treiben die Grünen nun ein neues Gütesiegelgesetz für Lebensmittel voran, das BZÖ ruft nach verstärkten Kontrollen und die FPÖ ist gar der Meinung, man solle die Produkte auch auf Hunde- und Katzen-DNA testen. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) will eine EU-weit einheitliche Datenbank, um die schnelle Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln zu gewährleisten. Wo hier das Wahlkampfgetöse anfängt und die sachlichen Forderungen sich tatsächlich dem Ziel der höheren Lebensmittelsicherheit nähern, sei dahingestellt. Was den „Reisepass“ für eine bessere Rückverfolgbarkeit von Nahrungsmittel betrifft, diskutierte zu Beginn der Woche der EU-Agrarausschuss. Konkrete Vorschläge aus diesem Gremium, das übrigens keine Entscheidungskompetenz hat und somit keine Entschlüsse treffen kann, waren bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt.



Klare Worte zum Fleischskandal gerade in Österreich finden die Bundes- und Landesinnungen. Für den Bundesinnungsmeister der Fleischer Rudolf Menzl gehören im ÖFZ-Gespräch die Verantwortlichen „aufs Schärfste verurteilt. Denn es schadet der gesamten Branche.“ Auch Prof. Dr. Reinhard Kainz, Bundesinnungsgeschäftsführer der Lebensmittelgewerbe, spricht sich für eine „lückenlose Aufklärung“ aus: „Es ist wichtig, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Auch zum Schutz der ordnungsgemäß arbeitenden Betriebe“, so der Bundesinnungsgeschäftsführer. „Bei Industrieware stehen alle relevanten Infos auf dem Etikett. Das heißt: Hier muss man blind vertrauen, da man ja niemanden fragen kann“, meldet sich auch Tirols Fleischer-Innungsmeister Thomas Prem zu Wort und plädiert daher für einen Einkauf beim heimischen Fleischer ums Eck.


Medienreaktionen

Abgesehen von mehr oder minder geschmackvollen Pferdefleisch-Witzen bleiben Konsumenten und Medien zumindest über weite Strecken kritisch. So meinte ein junger Mann in einem Radiointerview: „Wenn Sie 1,90 Euro für einen halben Kilo Lasagne zahlen, ist klar, dass Sie Bauchweh bekommen. Was soll denn da drin sein?“ Ein Kommentar in der Kärntner Tageszeitung KTZ stellt ebenso die Frage, was denn von Lebensmitteln, die viel zu günstig sind, eigentlich erwartet werden soll. Und im Interview mit Der Presse stellt Bio-Landwirt Werner Lampert klar: „Für billiges Fleisch zahlt immer irgendwer die Zeche.“ In dem Falle waren es die Konsumenten. Sieht man sich den Rückgang der gewerblichen Fleischer in Österreich an, kommt man zu dem Schluss, dass diese wohl nicht die Einzigen sind, die ian die Wand gedrängt werden.



Die lokalen Boulevardmedien wie die Kronen Zeitung oder Österreich tanzen hier natürlich aus der Reihe und graben längst vergessen geglaubte Fehlinformationen aus – etwa, dass Extrawurst lediglich aus Schlachtabfällen besteht. Die ehrliche Kommunikation mit den Kunden und die Hoffnung, dass Ammenmärchen wie diesen allen Skandalen zum Trotz nicht mehr geglaubt werden.

von Pia Moik

Fleisch & Co – die österreichische Fleischerzeitung

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