Im Jahr 1973 haben wir 5.982 Fleischer gehabt. Jetzt sind es nicht einmal mehr 1.000. Da geht natürlich sehr viel Wissen verloren“, erinnert sich Johann Stabauer an die Beweggründe, eine Diplom-Fleischersommelier-Ausbildung ins Leben zu rufen. Von Rudolf Stückler, AMA-Produktmanager für Fleisch und Fleischwaren, initiiert sollte diese Ausbildung allen die fleischaffin sind und Interesse an Fleisch haben, zugutekommen. Seit Lehrgangsstart im Jahr 2010 – damals hatte die REWE ihre Abteilungsleiter geschickt – haben den Lehrgang bis heute 400 Teilnehmer erfolgreich absolviert. Inzwischen finden die Lehrgänge nicht nur in Linz, sondern auch in Wien, Graz und Innsbruck, Hohenems und Stuttgart statt. Fleischermeister Johann Stabauer setzt als Fleischexperte und Grill-Doyen die Lehrgänge sehr erfolgreich in die Praxis um. „Der Kurs ist international sehr erfolgreich. Wir haben regen Zulauf insbesondere aus Deutschland, aber auch der Schweiz, Liechtenstein und Südtirol“, so Stabauer. Die Absolventen würden sich aber wünschen, dass es nach der Prüfung eine Art Vernetzung und vor allem ein umfassendes Weiterbildungsangebot gibt.
Das lesen Sie in diesem Artikel Dieses Anliegens hat sich der Tiroler Fleischermeister, AMA-Grilltrainer (gourmet-grillen.at) und Diplom-Fleischsommelier-Ausbilder Markus Mair angenommen. Im Frühjahr 2018 gründete Mair mit einigen Mitstreitern den Internationalen Club der Diplom-Fleischsommeliers (ICDF). Die erste Jahresversammlung fand im Südtiroler Eppan statt. „Was bei uns teilweise im Faschierten und in der Wurst landet, wird bei den neuen Schnitten in hochwertige Produkte verarbeitet“, gibt Johann Stabauer Einblick in das Programm, das auf die Diplom-Fleischsommeliers wartet. Die Fleischerzeitung hat sich unter den Diplom-Fleischsommeliers umgehört und erfahren, welche Mühen diese für die Fortbildung in Innsbruck auf sich genommen haben. So sind Fleischermeister Hans-Jürgen Kurz von der Metzgerei Blessing & Kurz aus dem Raum Esslingen und Helmut B. Schulz, Küchenmeister, ehemaliger Sternekoch und Markenbotschafter für StaufenFleisch bei der größten deutschen Fleischergenossenschaft MEGA, aus Stuttgart angereist. Lucia Vöhringer und Kollegin Andrea Gieringer haben ebenfalls die österreichische Diplom-Sommelier-Ausbildung in Stuttgart absolviert und sind beide Fachverkäuferinnen bei der deutschen Albmetzgerei Failenschmid. Fleisch- und Wurstfachberaterin Diana Schetschocke kommt aus Braunschweig. Insgesamt eine weitgereiste Mischung also, die aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz bei dieser ersten Fortbildung in Tirol dabei ist. Eine Woche später findet am WIFI in Innsbruck das Seminar übrigens ein weiteres Mal mit rund 14 Teilnehmern statt. Denn der erste Termin war im Nu ausgebucht.
Wie wichtig Weiterbildung ist, erklärt ICDF-Präsident Markus Mair, der für Weber Grill die Grillseminare in Westösterreich organisiert: „Das Thema Fleisch ist sehr vielfältig geworden und vor allem viel anspruchsvoller. Wenn heute jemand vor 30 Jahren die Meisterprüfung gemacht hat, bedeutet das noch lange nicht, dass er über die neuen Steak-Cuts und verschiedenen Zuschnitte Bescheid weiß.“ Ein Fleischsommelier müsse auch nicht zwangsläufig Metzger sein, so wie ein Weinsommelier ja auch nicht zwangsläufig ein Winzer ist. „Bei uns sind viele Mitglieder schon Fleischer, es ist aber nicht Grundbedingung. Uns ist wichtig, dass unsere Mitglieder in der Lage sind, ihre Kunden aktiv beraten zu können. Bei Wein und Käse ist man uns da schon um einiges voraus. Mit dem Diplom-Fleischsommelier versuchen wir, dieses Manko zu beseitigen.“
Die ÖFZ hat auch bei Prüfer Johann Stabauer nachgefragt, was ein Diplom-Fleischsommelier eigentlich alles beherrschen muss: Er lernt den ganzen großen Bogen von Futter über Genetik, Haltung, Züchtung, Transport, Schlachtung, Fleischzerlegung, Fleischteilbenennung, Fleischteilverwendung bis hin zum Kochen und Anrichten, damit er in der Lage ist, dem Kunden und Konsumenten zu erklären, was Fleisch bedeutet. Fleischexperte und Metzgermeister Thomas Bethge gibt einen Videoüberblick über die Special Cuts beim Iberico-Schwein:
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Der Club ICDF
Nun, ein gutes halbes Jahr später, darf die Fleischerzeitung live bei einer Premiere dabei sein: Der ICDF hat zur ersten Weiterbildung für Diplom-Fleischsommeliers ins WIFI Tirol nach Innsbruck geladen. 22 Teilnehmer aus Fleischereien, Lebensmittelhandel, landwirtschaftlichen Betrieben, Direktvermarkter etc. aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol sind zur Fortbildung angereist. Themenschwerpunkte waren unter anderem „Fleisch in der Ernährung“ mit einem Vortrag von Diätologin Petra Wohlfartstätter (gutverdaut.at) und „Special Cuts bei Rind und Schwein“ in Theorie und Praxis am Grill mit EDEKA-Fleischexperten Thomas Bethge, der 2016 in Innsbruck die Diplom-Fleischersommelier-Ausbildung absolviert hat.Weiterbildung vom Feinsten
Im praktischen Teil des Weiterbildungsseminars wird den Teilnehmern u. a. gezeigt, wie ein Schopf in Presa und Pluma zerlegt wird. „Wenn ich ein Teil davon verkaufe, bekomme ich dafür mehr als für den ganzen Schopf“, so Stabauer. „Das Secreto ist beim Schwein das, was beim Rind der Rieddeckel ist – löst man es heraus, kann man Filetpreise erzielen.“ Fledermaus und Vogerl seien ja mittlerweile gang und gäbe. Was wenige wissen, Flank gibt es nicht nur beim Rind, sondern auch beim Schwein. Ebenso wenig bekannt sei, so der Experte, das „Ripperl ohne Knochen“ oder das Quiscino, auch Schulterdeckel oder Kavalierspitz genannt, oder der Magermuskel Papado, der beim Grillen eine Sensation sein soll. Einige dieser Cuts werden die Teilnehmer im weiteren Verlauf des Seminars lernen und im Rahmen des praktischen Teils am Nachmittag grillen und verkosten.
Weit gereiste Mischung
Neue Themenbereiche
Fit für die Zukunft
Neben den zwei Seminarterminen zum Thema „Fleisch und Ernährung“ und „Special Cuts“ in Innsbruck steht beim ICDF als nächstes die Teilnahme an der Grünen Woche in Berlin im Jänner 2019 auf dem Programm. „Wir stellen dort den Diplom-Fleisch-sommelier auf der Messe vor“, so Stabauer. Das nächste ICDF-Jahrestreffen wird voraussichtlich im April 2019 in Wien stattfinden. Geplant ist zudem, Weiterbildung in den Herkunftsländern der Mitglieder zu organisieren. Das heißt, es wird noch einiges
zu berichten sein.
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