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Fleischermeister Hödl: „Wenn wir net selbst schlagen täten, wär’s a scho aus!”

Liesinger schwören auf Leopold Hödl, in ganz Wien ist er Genießern ein Begriff: Als letzter Fleischer, der seine Tiere selbst schlachtet. Nun geht Hödl in Pension. Doch keine Angst – Sohn Christoph übernimmt die Genuss-Instanz.

Die hellwachen Augen blitzen auch über der Corona-konformen Maske schalkhaft, wenn Leopold Hödl von seinem Handwerk erzählt. Der Schmäh des Fleischers in der Breitenfurter Straße ist ebenso legendär wie die Qualität, die man hier erhält.

„Ich bin Fleischhauer und kein Wirt“, finden sich an Speisen zum Aufwärmen lediglich Rindsrouladen, Grammel- und Fleischknödel in der Kühlung. Die frische Ware ist hier zu Hause. Und das seit 66 Jahren, als Hödls Vater, ebenfalls ein Leopold, das Eckgeschäft eröffnete. So kennen es die Kunden – und kontrollieren das auch eifersüchtig. Als einmal ein großer Kollege mit dem Kühlwagen vor der Fleischerei parkte, schrie eine Stammkundin gleich auf. Dabei lieferte der kein TK-Fleisch, „sondern hat mir nur eine Knochensäge gebracht“, erzählt Hödl von dieser „Wächterin“ über die Eigenschlachtung.

„Die ganzen Viecher“, wie es der 65-Jährige nennt, waren im Betrieb einfach immer präsent, „das hab’ ich schon bei meinem Vater so mitbekommen.“ Und der hauseigene Schlachtbetrieb habe auch klare Vorzüge, ergänzt Sohn Christoph: „Wenn wer vier Kilo Schweinsschulter will für ein ,Pulled Pork‘, dann geh’ ich halt einfach schnell nach hinten.“ Nicht jeder koche zu Hause Single-Portionen und damit sei die ansonsten übermächtige Konkurrenz im Supermarkt eben überfordert. Alles, was über die vakuumierten Standardgrößen hinausgehe, sei da schon ein Problem. Oder in den klaren Worten von Leopold Hödl: „Kaun jo kana mehr mit Fleisch umgehen!“

Von der Pike auf gelernt

Was auf Christoph Hödl keineswegs zutrifft – seit 1999 ist auch der Sohn mittlerweile im Betrieb tätig. Die Lehrjahre beim Willixhofer in Baden-Leesdorf („da sind noch 60 Schweine abgestochen worden“) liegen lange zurück. Dieser Tage nun wird er offiziell der „Chef“, wie ihn Hödl sen. jetzt schon scherzhaft nennt: Wie auch sein Vater wird er um den 40. Geburtstag das Geschäft übernehmen.

Mit Mai ist somit die dritte Generation in Liesing tätig, nachdem Vater Leopold und Gattin Anni ziemlich genau ein Vierteljahrhundert das Handwerk pflegten. Auf Rückblicke bezüglich der technischen Veränderung des Handwerks hat Wiens Paradefleischer aber so gar keine Lust. „Was sich am meisten geändert hat? Dass es viel weniger Betriebe gibt“, bedauert der 65-Jährige die Entwicklung seines Berufs. Und: „Wenn wir net selber schlagen täten, wär’s a schon aus.“

Im Sortiment findet man die Innovationen von Vater und Sohn jedenfalls schon länger vereint: Die „Atzgersdorfer“ steht auf der grün-weißen Tafel über der Verkaufsbudel als eine der hausgemachten Würste angepriesen. Ihre Rezeptur entwickelte Leopold Hödl und unterstrich damit die Liebe zum Bezirk, in dem es immerhin auch eine Hödl-Gasse gibt.

Rezepte über Generationen

Im Vorjahr gesellte sich dann die „Liesinger“ dazu, die bereits Christoph Hödl kreiert hat. „Seit meiner Lehrzeit in Baden wollte ich eine eigene Dauerwurst machen.“ Mittlerweile gibt es diese nur hier erhältliche Spezialität auch in einer pikanten Version. Dass es in Liesing ein derart breites Angebot an Wurstwaren und Fleisch gibt, hängt natürlich direkt mit der Verarbeitung des gesamten Schlachtkör- pers zusammen. „Wir jonglieren immer ein bisserl“, formuliert es Christoph Hödl. Konkret wird aus der Schulter einmal eben Extrawurst, dann wieder Salami oder ein Pizzaschinken gefertigt.

Denn wenn der Betrieb mit seinen 13 Mitarbeitern eines nicht kennt, dann kulinarische Berührungsängste. Als die „Weinschenke“, trotz des traditionellen Namens eine hippe Burger-Küche mit drei Wiener Standorten, ein speziell gewürztes Patty suchte, wurde sie schnell mit Hödl handelseins. Auch Pastrami kommt in der Breitenfurter Straße genauso selbstverständlich ins Semmerl wie der Leberkäse der Hödls.

Die Vielfalt lebt hier von der Saumaisen, die bei unserem Besuch gerade frisch duften, bis zum Rindersaftschinken. Innereien gibt es auf Vorbestellung, wer Beef Tartar sucht, findet es im 23. Bezirk ebenso wie Freunde von Steaks. Im Grunde also genau so, wie eine Fleischerei früher gearbeitet hat. Nur dass es solche Allrounder kaum noch gibt. „Es will halt keiner mehr ein Risiko eingehen“, seufzt Hödl senior, „es ist halt was anderes, wenn ich mir nur die Schlegel liefern lasse.“

„Geerbte“ Viehzüchter

Das allerdings kommt für beide nicht infrage. Nach wie vor werden die Tiere beim Bauern abgeholt. Schweine und Rinder aus dem Tullnerfeld, Lamm aus dem Pielachtal und die Kälber aus der Buckligen Welt. „Zu einigen Bauern bin ich schon als Kind hingefahren“, steht auch hier Kontinuität auf der Tagesordnung bei Christoph Hödl.

Wenngleich auch die Bauern immer mehr Tiere aufziehen würden. „Die vielen Kleinen, die nur ein paar Viecher hatten, gibt es kaum noch, skizziert der Junior den Wandel bei den Züchtern, den er über die Jahre miterlebt hat. „Da wird auch mit Förderungen ausgebaut. Nur bleibt da auch weniger Zeit auf die ein- zelnen Tiere zu schauen, ob sie eh bei der Mutter trinken.“ Umso intensiver pflegt man die Beziehungen zu Bauern wie der Familie König in Rabenstein an der Pielach – und verkauft auch deren Schafkäse-Gupferln im Geschäft gerne mit.

Doch es gibt auch genug positive Entwicklungen. So werde seitens der Kunden immer öfter bewusst nachgefragt, woher das Fleisch stammt. Und für aufwendige Kleinigkeiten wie die Grammeln der Hödls bekomme man einen guten Preis. „Auch vom Lamm kannst in den letzten zwei Jahren alles verkaufen“, freut sich Christoph Hödl über einen weiteren Wandel im Konsumverhalten. Mittlerweile seien eben nicht nur „ein paar Lammkronen im Sommer“ gefragt. Womit die Rede auf das Ostergeschäft kommt, das – ähnlich wie der Absatz zu Weihnachten – mehr als erfreulich war.

Und das auch bei den Berufskollegen, mit denen sich die Hödls quer über die Bundesländer austauschen. „Es ist eine Branche, wo es bei allen ähnlich rennt: Wenn es gut läuft, dann läuft es meist bei allen gut. Und wenn es einem schlecht geht, dann geht es meistens allen schlecht.“

Aktuell läuft es gut, auch wenn man die Festtage nicht absolut setzen dürfe. Zumindest aber spürt man, dass die Wiener im Lockdown deutlich mehr einkaufen in der Breitenfurter Straße. „Weil’s jetzt alle selber kochen müssen“, wie Leopold Hödl gewohnt scharfzüngig analysiert.

Hits fürs Heurigenbuffet

Den COVID-19-bedingten Wegfall der Gastronomie können aber noch so hungrige Privatkunden nicht auffangen. „Ein gutes Drittel weniger Umsatz“, bedeutete die Schließung der Betriebe für die Hödls. Denn nicht nur, dass man mit drei Heurigen-Betreibern in Wien (Edlmoser und Hofer) sowie in Gumpoldskirchen (Hannes Hofer) verwandt ist:

Auch die Belieferung der Buschenschank-Buffets gehört zu einem der traditionellen Standbeine der Liesinger. Hödl-Fleisch gehört aber auch in der Hochgastronomie zu einer Marke, mit der man sich gerne schmückt.

Immer wieder gibt es daher auch Anfragen für eine Dependance in der Innenstadt. Doch da muss Christoph Hödl abwinken. „Für den Verkauf von Brot findet man schon jemanden, der das machen kann. Aber Fleisch erklären und aufschneiden, da schaut das anders aus.“

Der zweite Grund sei die Abhängigkeit von der begrenzten Lagerfläche im Ersten Bezirk. Und dann genau das nicht vorrätig zu haben, was der Kunde wünscht, das geht Hödl gegen die Fleischer-Ehre. Zumal man schließlich 66 Jahre lang einen hohen Standard gesetzt hat in Liesing und auch unterm neuen Chef keinen Millimeter davon abrücken will!

Autor: Roland Graf

 

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