
1994, also ein Jahr vor den EU-beitritt Österreichs, entschlossen sich drei Familien in Kirchberg an der Raab, mitten im steirischen Vulkanland, einen Schlachthof zu errichten. Johann Kaufmann sen. und sein Bruder Viktor Kaufmann, Heribert Pratscher sen. und Franz Kahr sahen in der künftigen Mitgliedschaft der Alpenrepublik in der europäischen Gemeinschaft große Exportchancen für die heimischen Fleischvermarkter. Dieser erste gemeinsame Schlachthof wies eine Betriebsfläche von rund 3.000 Quadratmetern auf. Das war, wie gesagt, 1994. 2022, also 28 Jahre und fünf Ausbaustufen später, beträgt die Betriebsfläche stolze 12.000 Quadratmeter. Dazwischen lagen Expansionsschritte in den Jahren 1999, 2004, 2009 und 2017.
Erfolgreich in zweiter Generation
Heute wird das Schweinefeisch-Kompetenzzentrum, so wird der Schlacht- und Zerlegebetrieb von den Eigentümern bezeichnet, bereits von der zweiten Generation erfolgreich geleitet. Die Väter haben sich weitgehend zurückgezogen. DI (FH) Johann Kaufmann jun. und Heribert Pratscher jun. stehen an der Spitze des Unternehmens und führen ein ausgesprochen motiviertes und junges Team. Die dritte Eigentümerfamilie Kahr hat sich Anfang 2022 zurückgezogen. Johann Kaufmann jun. hat die HTL für Automatisierungstechnik und Maschinenbau in Kaindorf an der Sulm und danach Produktionstechnik und -organisation in Graz an der FH studiert. Heribert Pratscher jun. ist Fleischermeister und hat seine Ausbildungszeit nach der Lehre in Deutschland verbracht.
Das Kompetenzzentrum
Die Umbenennung des Schlachthofes in Schweinefleisch-Kompetenzzentrum hat klare strategische und Image-Gründe, erklärt Johann Kaufmann die Gründe für diese Ausrichtung: „Wir wollen als Fleischhof Raabtal nachhaltig für Leidenschaft und höchste Kompetenz bei Schweinefleisch stehen. Deshalb haben wir uns entschlossen, uns nicht mehr als Schlachthof, sondern als Schweinefleisch-Kompetenzzentrum zu bezeichnen. Dazu gehört auch eine kompromisslose Transparenz des gesamten Betriebs. Wir halten regelmäßig Führungen für Schulklassen, Universitätslehrgänge, Landwirte und ganz normale Endverbraucher ab.
Klima- und umweltbewusst
Mit der fünften und vorläufig letzten Ausbaustufe, der gleichzeitig größten Investition der Firmengeschichte, hat der Fleischhof Raabtal seine Vision vom Schweinefleisch-Kompetenzzentrum endgültig verwirklicht. Die dafür notwendige Infrastruktur wurde in der neuen Betriebshalle untergebracht. Ein Kistenbahnhof für 15.000 Kisten mit vorgelagerter Waschanlage, eine neue Versorgungsanlage für alle notwendigen Medien wie Wärme, Kälte, Druckluft, Reinigung usw. Weiters Lagerräume für Betriebs-Hilfsstoffe und Verpackungsmaterial, Kühlzellen und ein spezieller Reiferaum. Die Kühlanlagen werden mit CO2-Kältemittel und einem ausgefeilten Wärmerückgewinnungskonzept betrieben. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach liefert den Strom, der zusätzliche Wärmebedarf wird über Hackschnitzel-Fernwärme bereitgestellt.
Erfolgreicher Mittelbetrieb
Der Fleischhof Raabtal gehört in Österreich nicht zu den ganz Großen der Branche, mischt aber trotzdem weit vorne mit und steht für Flexibilität und Handschlagqualität. Rund 450.000 Schweine werden pro Jahr in Kirchberg geschlachtet. Das Unternehmen beschäftigt 280 Mitarbeiter in der Schlachtung und Zerlegung, in der Verpackung, in der Administration sowie in Logistik und Werksverkauf.
Das Unternehmen, 2017 hat sich der Fleischhof Raabtal komplett auf das Thema „Schweinefleisch-Kompetenz“ ausgerichtet, ist ausgesprochen AMA-Gütesiegel-orientiert, das Verhältnis zwischen AMA-Gütesiegel-Schweinen und Tieren ohne Gütesiegel lautet 63:37. Den überwiegenden Anteil der Gütesiegel-Schweine stellen Tiere, die unter dem Markenprogramm „Vulkanlandschwein“ vermarktet werden.
Zu den wichtigsten Kunden des Betriebs zählen der Lebensmitteleinzelhandel, der mit feinzerlegter, vakuumierter Ware beliefert wird, die Gastronomie, die Fleischindustrie, das Fleischerhandwerk und viele Buschenschenken sowie Selbstvermarkter. Bedeutendster europäischer Exportabnehmer ist Slowenien, außereuropäisch gehen die meisten Erzeugnisse in den asiatischen Raum. Letztere werden überwiegend mit Schlachtnebenprodukten wie Ohren, Schwänzen, Füßen und Knochen beliefert.
Für seine Mitarbeiter bietet der Schlachthof Raabtal als Arbeitgeber großzügige Leistungen zu günstigen Konditionen: täglich drei Mahlzeiten und günstige Zimmer für die Pendler in der Belegschaft.
Markenprogramm seit 2013: das „Vulkanland-Schwein“
Vor neun Jahren hat die zweite Generation mit dem „Vulkanlandschwein“ als Markenprogramm begonnen. Heute stellt dieses Segment mit 220.000 Tieren im Jahr fast die Hälfte der gesamten Jahresschlachtungen. Was steckt dahinter? Ganz einfach, rund 230 bäuerliche Familienbetriebe im Umkreis von maximal 40 Kilometern vom Schlachtbetrieb beliefern den Fleischhof Raabtal mit dem „Vulkanlandschwein“. Geboren in der Steiermark, gemästet, geschlachtet und verarbeitet im Steirischen Vulkanland muss das Tier sein. Sonst hat es in diesem Markenprogramm nichts verloren. Die Grundsätze des österreichischen AMA-Gütesiegels, vertragliche Herkunftsgarantie und damit gelebte Regionalität sorgen für eine hervorragende Ökobilanz und machen das „Steirische Vulkanlandschwein“ zu einer überaus authentischen Qualitätsmarke. Die Wertschöpfung bleibt in der Region und sichert somit Arbeitsplätze vor Ort.
Achtsamkeit schafft Vertrauen
Diese Achtsamkeit beginnt im Stall und endet am gedeckten Tisch. In allen Stufen erfährt das „Vulkanlandschwein“ Respekt und Wertschätzung. Diesem Prinzip hat sich die Qualitätsgemeinschaft der Bauern gemeinsam mit dem Fleischhof Raabtal verschrieben. Weitere Eckpfeiler des Programms sind der nachhaltige Ackerbau der Mitgliedsbetriebe, die Verwendung von regionalen Futtermitteln wie Hirse, Mais und Soja vom eigenen Acker, die Versorgung der bäuerlichen Schweine-Mäster mit Biomasse und der damit verbundenen Einsparung von rund 3.500 Tonnen CO2 und die verpflichtende Schaffung von Blühstreifen als Futterquelle für Bienen.
Premium-Produkt Dry Aged Karree
Zum absoluten Verkaufsschlager hat sich das acht Tage am Knochen unter kontrollierten Bedingungen trocken gereifte Karree entwickelt. Doch nicht jedes Karree vom „Vulkanlandschwein“ schafft es in die End- auswahl. Nur die Karrees von zehn bis 15 Prozent der jährlich vermarkteten Tiere werden in der strengen Selektion für den Reifeprozess zugelassen. Das Ergebnis kann sich sehen beziehungsweise natürlich schmecken lassen. Johann Kaufmann jun. gerät ins Schwärmen: „Unsere trocken am Knochen gereiften Karrees sind ausgesprochen saftig und zart. Sie weisen ein feines Butteraroma und nussige Nuancen im Fettgeschmack auf. Der Kenner gerät auch angesichts der Fettabdeckung und der intramuskulären Fetteinlagerungen in Verzückung. Die Schweine-Steaks eignen sich hervorragend zum Kurzbraten, als Ganzes gibt das Karree einen exzellenten Schweinebraten wie früher ab. Unser am Knochen gereiftes Karree schneidet auch bei Verkostungen stets hervorragend ab.“ Alles in allem hat der Fleischhof Raabtal mit seiner Neuausrichtung als „Schweinefleisch-Kompetenzzentrum“ und seinem Markenprogramm „Vulkanlandschwein“ die Weichen auf Vorfahrt gestellt. Weitere Expansionen werden sicher bald folgen.
Autor: HaRo