Genossenschaftsmetzgerei im Montafon sichert Fleischverarbeitung vor Ort

Genossenschaftsmetzgerei im Montafon sichert Fleischverarbeitung vor Ort
Vom Problem zur Chance
Was mit einem Problem begann, hat sich im Montafon zu einer beispielhaften Initiative entwickelt: Das bestehende Schlachthaus im Ortsteil Galgenul von St. Gallenkirch entsprach weder den hygienischen noch den baulichen Anforderungen. Ohne Ersatz drohte die Verlagerung der Fleischverarbeitung aus dem Tal – mit weitreichenden Folgen für Landwirtschaft, Gewerbe und Region.
„Es ging nicht nur darum, ein altes Gebäude zu ersetzen“, erklärt Bürgermeisterin Bürgermeisterin Lisi Kuster (ÖVP) im ORF-Gespräch „Wir mussten eine Lösung finden, die langfristig funktioniert und in der sich Landwirtschaft und Fleischverarbeitung gemeinsam wiederfinden.“
So entstand die Idee einer Genossenschaftsmetzgerei, getragen von jenen, die direkt betroffen sind: Landwirten, Fleischereibetriebe und Konsumenten. Binnen weniger Monate meldeten sich 128 Interessierte, die Anteile zeichneten oder ihre Unterstützung zusagten.
Regionalität als Prinzip
Die neue Metzgerei soll dort ansetzen, wo viele Strukturen in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen sind: bei der regionalen Eigenständigkeit. Im Montafon soll künftig wieder vom Tier bis zum fertigen Produkt möglichst alles im Tal bleiben.
Das reduziert Transportwege, schont Tiere und Umwelt – und sorgt für größere Transparenz. Gleichzeitig stärkt es die lokale Wertschöpfung und die Verbindung zwischen Landwirtschaft, Gewerbe und Bevölkerung.
Für Bürgermeisterin und Projektteam ist klar: „Wenn wir regionale Kreisläufe ernst nehmen, müssen wir sie auch bei der Fleischverarbeitung leben. Eine solche Einrichtung ist dafür zentral.“
Finanzierung und Umsetzung
Das Projektvolumen beträgt rund 1,4 Millionen Euro. Die Finanzierung basiert auf drei Säulen:
- Genossenschaftsanteile von Landwirt:innen, Betrieben und Privatpersonen,
- Fördermittel von Bund und Land,
- nachrangige Darlehen.
Die Gemeinde St. Gallenkirch stellt das Grundstück im Baurecht zur Verfügung, umgesetzt wird das Vorhaben mit regionalen Handwerksbetrieben und einem hohen Anteil an Eigenleistung. Diese Kombination aus regionaler Beteiligung, Förderunterstützung und Eigeninitiative sorgt für hohe Identifikation in der Bevölkerung.
Die Trägerschaft in Genossenschaftsform gilt als Garant für Mitbestimmung und langfristige Stabilität. Jedes Mitglied hat Stimmrechte und kann aktiv an der Entwicklung der Einrichtung mitwirken – ein Modell, das wirtschaftliche Verantwortung auf viele Schultern verteilt.
Neue Perspektiven für Fleischwirtschaft und Landwirtschaft
Die Vorteile für die Branche liegen auf der Hand. Durch die neue Infrastruktur bleiben Schlachtung und Verarbeitung im Tal, wodurch nicht nur Transportwege und Tierstress sinken, sondern auch der Einfluss auf Qualität und Tierwohl steigt.
Für Fleischereibetriebe bedeutet das: planbare, kurze Wege, faire Tarife und ein modernes Umfeld mit hohen Hygienestandards. Für Landwirte bietet die Beteiligung an der Genossenschaft Mitspracherecht, Transparenz und die Möglichkeit, ihre Produkte direkt in der Region vermarkten zu lassen.
Auch Jäger und Direktvermarkter profitieren, da eine regionale Schlachtstätte die Aufarbeitung kleinerer Stückzahlen erleichtert. Im Fokus steht dabei immer der Gedanke einer gemeinsamen Qualitätsstrategie – regional, transparent und nachvollziehbar.
Ein Modell für Österreichs Regionen
Die Genossenschaftsmetzgerei Montafon ist kein Einzelfall, aber ein Projekt mit Vorbildwirkung. In ganz Österreich stehen kleine Schlachtbetriebe vor ähnlichen Herausforderungen: steigende Auflagen, hohe Investitionskosten und der Verlust regionaler Strukturen.
Das Montafon zeigt, wie durch Kooperation statt Konkurrenz eine Lösung entstehen kann, die wirtschaftlich tragfähig ist und gleichzeitig Tierwohl und Regionalität stärkt. „Das ist keine Nostalgie, sondern Zukunftsdenken“, betont ein beteiligter Landwirt. „Wenn wir unsere Produkte wirklich regional halten wollen, brauchen wir Strukturen, die uns das ermöglichen. Diese Metzgerei ist dafür ein Schritt in die richtige Richtung.“
Aktueller Stand und Ausblick
Der Antrag auf Bundesförderung wurde bereits eingereicht, eine Entscheidung wird bis Ende November erwartet. Bei positivem Bescheid könnte der Baubeginn im Frühjahr 2026 erfolgen.
Die Genossenschaft befindet sich derzeit in der Gründungsphase. Weitere Interessierte können noch Anteile zeichnen, um sich an der Finanzierung zu beteiligen. Parallel läuft eine öffentliche Umfrage, um die Erwartungen der Bevölkerung und der Betriebe in die Planung einfließen zu lassen. Auch Papierformulare liegen im Gemeindeamt auf.
Langfristig ist geplant, die Metzgerei als vollwertigen Verarbeitungsstandort mit modernen Kühl-, Zerlege- und Verpackungsbereichen auszustatten. Dabei sollen hohe Hygienestandards, kurze Wege und eine transparente Herkunftskennzeichnung im Vordergrund stehen.
Mit der Genossenschaftsmetzgerei Montafon entsteht ein Projekt, das weit über die Grenzen des Tals hinaus Bedeutung hat. Es verbindet handwerkliche Kompetenz, bäuerliche Struktur und moderne Organisation zu einem zukunftsfähigen Modell. Für Österreichs Fleischwirtschaft zeigt es: Regionalität kann gelingen – wenn Gemeinden, Landwirtschaft und Betriebe an einem Strang ziehen.
